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1. Wie lange trägt das psychologische Erfolgsergebnis von Bonn?

Besteht, da dessen Substanz wenig erfolgversprechend ist, nicht sogar die Gefahr eines psychologischen Rückschlags, wenn demnächst anhaltende globale Emissionssteigerungen weltweit für Unruhe sorgen? Wenn ernüchternde Beispiele faden-scheiniger CO2 -Minderungsprojekte in Form menschenvertreibender Staudammprojekte oder fossiler Kraftwerkslieferungen nach dem Stand der gegebenen Technik in Entwicklungsländern die Runde machen oder Japan und Kanada monokultivierte Wälder vom CO 2 -Schuldkonto abbuchen können, während sie zugleich andernorts Naturwälder abholzen? Wenn Emissionshändler das neue Provisionsgeschäft aufmachen und die sogenannten „flexiblen Mechanismen“ den Klimaschutz weltweit in ein bürokratisches Prokrustesbett legen?

2. Kann nach dem trüben Resultat einer neunjährigen Konferenzserie ernst-haft angenommen werden, deren Fortsetzung für den Zeitraum nach 2012 bringe den großen Sprung zu umfassenden Emissionsverminderungen?

Emissionsminderungen von 2% – und diese auch nur bei den Industrieländern unter den Vertragsstaaten – im Laufe der nächsten elf Jahre stehen 60% notwendiger Emissionsreduzierungen bis zum Jahr 2050 gegenüber, die die UN-Klimaforschung für geboten hält!

3. Auch wenn sich einige Länder dazu durchringen, die ökologische Energiereform schneller voranzutreiben:

Wie soll das über die im Protokoll vereinbarte Emissionsminderung spürbar hinausgehen können, wenn eine Quotenübererfüllung gegen Entgelt an jene Länder abgetreten werden darf, die unterhalb ihrer Zielmarken bleiben? Und wieviele Staaten werden über diese hinausgehen, nachdem schon ein Jahrzehnt lang Verhandlungen als Handlungsersatz dienen konnten? Spricht das Protokoll die meisten Länder nicht eher von weitergehenden Initiativen frei?

Auf den ersten Blick wirkt der Grundgedanke von Weltklimakonferenzen überzeugend: Ein globales Problem müsse global – also gemeinsam – aufgegriffen werden. Die Regierungen aller Länder müssen ihre unmittelbare Verantwortung erkennen und in den Prozeß des Klimaschutzes verbindlich einbezogen werden. Das Instrument dafür sind globale Verhandlungen über ein gemeinsames Vorgehen, damit sich keiner mehr entziehen kann. Dies klingt so selbstverständlich, daß über einige Grundfragen kaum noch nachgedacht wird – auch wenn sie sich nach dem kläglichen Ergebnis eines verstümmelten Kyoto-Protokolls aufdrängen:

Warum soll ausgerechnet der denkbar langsamste politische Entscheidungsprozeß – also der einer vom Konsensprinzip abhängigen globalen Vertragsstaatenkonferenz – zu den notwendigen schnellen und umfassenden Lösungsansätzen kommen können? Warum und aufgrund welcher Voraussetzungen sind anderweitige internationale Vertragsverhandlungen erfolgreich gewesen oder gescheitert? Vor allem aber: Ist der Gegenstand des Weltklimaschutzes – nämlich eine technologische und strukturelle Transformation der Energiebereitstellung – überhaupt geeignet für solche Entscheidungsforen?

Einsicht gegen strukturelle Interessen?

Einsichten in unübersehbar eklatante Gefahren sind keine Selbstverständlichkeit. Daß die Weltklimagefahren und ihre Ursache – fossiler Energieeinsatz – auf globaler Ebene anerkannt wurden, ist zweifellos ein nicht zu unterschätzender Erfolg, zu dem die Weltklimakonferenzen beigetragen haben, wenn auch nicht allein. Daß es immerhin so weit kam, geht nicht zuletzt auf den noch von US-Präsident Carter in Auftrag gegebenen „Global 2000“-Bericht aus dem Jahr 1981, an dem auch dessen Nachfolger nicht mehr vorbeikamen, und auf die „Agenda 21“ der Rio-Weltkonferenz von 1992 zurück.

Doch diese allgemeine Einsicht, die zur Einsetzung des International Panel on Climate Change (IPCC) führte, bedeutet offenkundig allein keine konkrete praktische Einsichtsfähigkeit. Mit der Installierung der Weltklimakonferenzen im Nach-Rio-Prozeß wurde den Regierungen nämlich zugleich eine wohlfeile Ausrede serviert, die jeweils eigene ökologische Energiereform bis zum Zustandekommen eines Weltvertrags aufzuschieben. Zu ihrem Hauptargument wurde, daß nur durch die globale Rahmenbedingung Wettbewerbsfähigkeit aufrechterhalten werden könne. Damit haben sie weitgehend erfolgreich nationale Initiativen wie die Erhöhung fossiler Energiebesteuerung – also ein schnelleres Vorgehen einzelner Länder – blockieren können und dabei ihre Hände in globaler Unschuld gewaschen. Damit hatten die Klimaverhandlungen einen strukturkonservierenden Effekt. Das energiewirtschaftliche Großereignis seit 1992 war nicht die schon überfällige ökologische Energiewende, sondern die bisher größte Expansion der energiewirtschaftlichen Interessenmacht und ihre weitere Internationalisierung mit Hilfe der forcierten Liberalisierung, jeweils kräftig sekundiert von den Regierungen und entsprechenden Gesetzen. Die strukturelle Macht der Hauptverursacher des Klimaproblems ist stabiler denn je – wovon nur die ökologische Semantik ablenkt, derer sie sich zwischenzeitlich bedienen. So wenig sich die Regierungen in ihrer jeweils nationalen Politik von der klassischen Rolle als Schirmherren der jeweiligen energiewirtschaftlichen Interessen lösen konnten, so wenig können sie es, wenn sie sich auf Weltklimakon-ferenzen versammeln. Kein Zufall, daß die wichtigsten Themen gar nicht auf deren Tagesordnung kommen: Weder eine globale CO2 -Abgabe noch die Aufhebung der weltweit geltenden Steuerbefreiung für Flugtreibstoffe, obwohl der drastisch ansteigende Flugverkehr der gefährlichste einzelne Klimakiller ist – und auch nicht die Abschaffung der konventionellen Energiesubventionen, die weltweit bei etwa 300 Mrd. Dollar jährlich liegen, obwohl ein solcher Schritt sogar vorzüglich zur plakatierten Idee der Wettbewerbsgleichheit im WTO-Prozeß passen würde.

Es ist auch kein Zufall, daß sich die Weltklimakonferenzen statt dessen auf Instrumente wie den Emissionshandel versteiften, womit vordergründig bestechende „all-winners“-Lösungen versprochen wurden. Umweltökonomen, die solchen Instrumenten das Wort reden, erhoffen sich von ihnen eine Versöhnung des Klimaschutzziels mit den Interessen der fossilen Energiewirtschaft. Diese aber spekuliert auf die Bewahrung ihrer Strukturen und die globale Kontrolle der Energieinvestitionen. Solche vermeintlich realistischen Ansätze lassen sich auf die Behauptung der etablierten Energiewirtschaft ein, daß ihre strukturellen Interessen identisch seien mit den volkswirtschaftlichen Interessen – weshalb ihre Zusatzkosten für Klimaschutz auch volkswirtschaftliche Kosten seien. Wo nur noch von Kosten und Lasten geredet wird, rückt der wirtschaftliche Nutzen des Klimaschutzes in den Hintergrund.

Verhandlungen für globale Abkommen können deshalb wahrscheinlich nur dann wirklich erfolgreich sein, wenn der Verhandlungsgegenstand überschau-bar und eingrenzbar ist, nur vereinzelte Interessen negativ berührt werden – oder wenn sich die dominanten Interessen auf breiter Front Vorteile von den Ergebnissen versprechen. Wenn es um Klimaschutzverhandlungen geht, sind Energieversorgung und -verbrauch insgesamt der Gegenstand. Dieser ist weder gut zu überschauen noch einzugrenzen. Wenn Verhandlungen hierzu einen klimaschützenden Effekt haben sollen, der den Aufwand rechtfertigt, sind empfindliche Einschnitte in die energiewirtschaftliche Interessenfront unvermeidbar. Daraus ergibt sich, daß keine erfolgsversprechenden Voraussetzungen für konsensual ausgerichtete Regierungskonferenzen vorliegen.

Das Montreal-Protokoll zum Schutz der Ozonschicht hatte dagegen einen solchen überschaubaren und nur wenige Interessen tangierenden Gegenstand. Es ging, mühsam genug, um die Zurückdrängung der Interessen bestimmter Kühlmittel- und Kühltechnikproduzenten. Der Antarktis-Vertrag kam zustande, bevor sich die Interessenten eingenistet und im großem Stil investiert hatten. Das Walfang-Abkommen berührt nur einen kleinen Teil der Fischereiländer und der Fischindustrie. Das WTO-Abkommen berührt zwar alles, entspricht aber den Interessen der einflußreichsten Staaten und Akteure der Weltwirtschaft. Internationale Abrüstungs- und Rüstungskontrollabkommen haben wiederum zwar einen überschau- und isolierbaren Gegenstand, dieser kollidiert aber mit einflußreichen rüstungswirtschaftlichen Interessen. Deshalb kommen sie meist nur dann zustande, wenn sie – wie im Fall des Verbots chemischer Waffen – die Kerninteressen der Rüstungswirtschaft nicht sonderlich berühren und einen Industriezweig wie die chemische Industrie betreffen, dessen Hauptgeschäft bei ziviler Produktion liegt. In anderen Fällen war der Preis für ein Rüstungskontrollabkommen eine Kompensation der betroffenen Wirtschaftsinteressen, also die Initiierung neuer Rüstungsrunden in nicht kontrollierten Bereichen.

Auch in das Kyoto-Protokoll sind Kompensationsmaßnahmen für die betroffene Energiewirtschaft eingebaut. Nicht nur der Emissionshandel und die Verrechnung von energiesparenden Investitionen in Entwicklungsländer müssen so bewertet werden, sondern auch die in Bonn vereinbarten Ausgleichsleistungen für die Ölförderländer, falls deren Ölabsatz leiden sollte. Diese sogenannten „flexiblen Mechanismen“ machen deutlich, daß der Kompromiß im weitgehenden Verzicht auf die Strukturreform der Energiebereitstellung lag. Stillschweigende Prämisse ist die Steigerung der Kosteneffizienz des fossilen Energiesystems, nicht dessen Substitution durch ein auf erneuerbaren Energien basierendes System. Der Wechsel zu emissionsfreien und unerschöpflichen Energien ist jedoch der nervus rerum jeder nachhaltigen Klima- und Umweltstrategie. Wer diesen als nachrangig ansieht, braucht mit einer globalen Klimaschutzstrategie gar nicht erst anzufangen. Geht es aber um die Substituierung, schließt das eine wirtschaftliche Kompensation der fossilen Energiewirtschaft aus. Eine ökologische Energiewende ist ohne die berühmte „schöpferische Zerstörung“ (Schumpeter) der konventionellen Energiewirtschaft nicht realisierbar. Die Mobilisierung erneuerbarer Energien bedeutet die synchrone und ersatzlose Ablösung der fossilen Primärenergiebereitstellung und der dazu notwendigen Infrastrukturen und Unternehmensformen, da die erneuerbare Primärenergie der Solarstrahlung oder des Windes von der Natur kostenlos geliefert wird und die der Biomasse den Wechsel von den Öl-, Erdgas-, und Kohlelieferanten zu einer sich darauf einstellenden Land- und Forstwirtschaft mit zwangsläufig anderen Trägerstrukturen bedingt.

Da sich die Beteiligten der falschen Prämisse unterworfen haben, konnten sie der immer absurder werdenden Logik des Verhandlungsverlaufs nicht mehr entgegentreten – außer durch den Aufbau eines Kontrollsystems gegen den Mißbrauch der „flexiblen Mechanismen“. Die Entwicklung zu weitgehender Verwässerung (im besten Fall) oder gar (wahrscheinlicher) zur Kompromittierung des Weltklimaschutzziels wurde aus den vorgenannten Gründen von dem Augenblick an zwangsläufig, an dem die Entscheidung fiel, Weltklimaschutz über das Instrument einer globalen Regierungskonferenz mit dem Ziel gleicher und verbindlicher Verpflichtungen erreichen zu wollen. Wenn schon im rot-grün regierten Deutschland – siehe die anhaltenden Auseinandersetzungen um ein Kraft/Wärme-Koppelungsgesetz oder den verhältnismäßig kleinen Gegenstand des Dosenpfands – die politische Kraft fehlt, mehr als eine „Selbstverpflichtung“ der betroffenen Wirtschaft zum Zwecke ihres Interessenschutzes zu erreichen: Wie soll dann ein verbindlicher globaler Vertragsgsrahmen realistische Perspektiven eröffnen? Es sei denn, dieser ist so wie das Kyoto-Protokoll gestrickt, das der betroffenen fossilen Energiewirtschaft keine Einbrüche beschert.

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