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Artikel erschienen in Sonnenzeitung, 3/2001, 01. November 2001

Unter dem Titel "Dispersed, Decentralised and Renewable Energy Sources: Alternatives to National Vulnerability and War" erarbeitete 1980 das "Energy and Defense Project" des amerikanischen Verteidigungsministers eine 400 Seiten lange Studie, die nie veröffentlicht wurde. In dieser Studie wurde empfohlen, aus Gründen nationaler Sicherheit die gesamte amerikanische Energieversorgung auf Erneuerbare Energien umzustellen. Dieses Ziel wurde nicht einmal ökologisch begründet, sondern um die USA unverwundbar zu machen.

Die Verwundbarkeit der USA wurde vor allem aus dem bestehenden Energiesystem begründet: Die Möglichkeit eines simplen konventionellen Raketenangriffs auf ein Atomkraftwerk. Oder die, durch terroristische Attacken auf Hochspannungsleitungen die Stromversorgung der Nation auszuschalten. Oder die, daß internationale Konflikte die Energieversorgung aus internationalen Quellen unterbrechen und das Land in ein wirtschaftliches und politisches Chaos stürzen könnten. Hinter der Studie stand sowohl die Erfahrung des Nahostkonflikts und der Ölkrise 1973 als auch die seinerzeitige Diskussion über die Gefahr durch Terroraktionen. Es wurde betont, daß es auf Dauer unmöglich sein werde, das globale Netz der Energiebereitstellung zu schicken und auf Dauer zu sichern.

Die Studie wurde vergessen, als 1982 die Ölkrise vorbei war. Das Augenmerk der amerikanischen Regierung unter Präsident Reagan, der den Ölmultis besonders verpflichtet war, konzentrierte sich darauf, Amerika durch ein Raketenabwehrsystem unverwundbar zu machen. Das Projekt erhielt den Namen SDI (Strategic Defense Initiative). Ich habe 1986 gegen das SDI-Projekt ein anderes Konzept gesetzt: das ökologische SDI-Programm, die "Solar Development Initiative". Auch der neue amerikanische Präsident Bush, der aus einem Ölclan kommt, setzte seit Beginn seiner Amtszeit auf die Raketenabwehr - nunmehr unter dem Namen NMD (National Missile Defense). Beide - Reagan wie Bush - setzten für die Energieversorgung weiterhin auf fossile Energien und Atomenergie. Beide starteten ihre Amtszeit mit einem Zusammenstreichen der Regierungsprogramme für Erneuerbare Energien.

Die Terrrorangriffe vom 11. September stellen die bisherige militärische Strategie, Amerika unverwundbar zu machen, wie auch die atomar/fossile Energiestrategie radikal in Frage. In Frage stehen sogar weltweit alle zentralisierten Systeme der Energie- und Wasserversorgung, den Lebensadern für alles und jeden. Zentralisierte Systeme in der Energieversorgung sind nur dann unvermeidlich notwendig, solange wir uns auf fossile oder atomare Energie stützen - sowohl im sogenannten "upstream"-Bereich, also von den Förderplätzen der Primärenergie bis zu den Kraftwerken und Raffinerien, als auch im "downstream"-Bereich zu den Energieverbrauchern.

Überwindbar ist dieses Problem existenzieller Abhängigkeit und damit Gefährdung allein durch Erneuerbare Energien - und auch dann nur, wenn diese dezentral geerntet und bereitgestellt werden und nicht etwa über solare Großkraftwerke in der Sahara. Nationale Unverwundbarkeit setzt auch voraus, daß es keine weitere unternehmerische Konzentration in der Energie- und Wasserversorgung gibt, sondern eine umfassende unternehmerische Dezentralisierung. Der gesamte Trend im Bereich der Energie- und Wasserwirtschaft ist fatal.

Dezentrale Enerige- und Wasserbereitstellung ist kein rückständiges Konzept, sondern allein zukunftsfähig. Erneuerbare Energien erhalten eine zusätzliche elementare Begründung: die Gesellschaft nicht mehr existenziell verwundbar zu machen. Die Kriterien, für welches Versorgungssystem und für welche Quellen wir uns entscheiden, dürfen nicht mehr nur von aktuellen Kostenvergleichen abhängig gemacht werden. Die Folgen dieser allzu engen Denkweise sind unbezahlbar, ökologisch wie sicherheitspolitisch.

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