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(c) gold-solarwind.deArtikel erschienen in e.velop, das Entwicklungs-Magazin, 23. Dezember 2005
 
Die Erneuerbaren Energien sind generell die einzige Chance für alle, diesich weltweit zuspitzenden Energiekrisen zu entschärfen und schließlich zu überwinden. Es handelt sich nicht nur um die Klimakrise und die besonderen atomaren Gefahren, sondern auch um eine prinzipielle Verfügbarkeitskrise angesichts der sich erschöpfenden Reserven des Erdöls, des Erdgases, auch des Urans und der Kohle.
Je mehr die Weltwirtschaft in die Zange zwischen Ressourcenverknappung einerseits und wachsender Energienachfrage kommt, desto mehr steigen die Energiepreise. Diese werden immer unbezahlbarer, immer öfter auch für Bevölkerungsgruppen selbst in reichen Ländern. Erst recht unbezahlbar sind sie heute für eine wachsende Zahl von Entwicklungsländern. Sie treiben die Weltwirtschaft in eine Dauerkrise und produzieren ein ökonomisches Delirium in Entwicklungsländern.

Umso erstaunlicher ist, wie wenig der Zusammenhang von konventioneller Energieversorgung und der Entwicklungskrise der so genannten Dritten Welt erkannt und thematisiert wird. Deutlich ist dieser Zusammenhang jüngst auf der Weltversammlung Erneuerbarer Energien artikuliert worden, die vom 26. bis 30. November 2005 in Bonn stattfand, organisiert vom Weltrat für Erneuerbare Energien und von EUROSOLAR.

Ölpreisanstieg verschärft Probleme der Entwicklungsländer

Die Energiekrise der Entwicklungsländer schwelt seit über 30 Jahren. Sie wurde erstmals eklatant in den Zeiten der breiten und lang anhaltenden Ölpreiskrisen, die zwischen 1973 und 1982 die Weltwirtschaft beeinträchtigten. Die Verschuldung der Entwicklungsländer lag noch 1972 bei etwa 200 Milliarden US-Dollar, neun Jahre später lag sie bereits bei 1,2 Billionen Dollar, also bei der sechsfachen Höhe. Dies ging in allererster Linie auf die Ölpreiskrise zurück.

Daraus ist ein Dauerproblem geworden. Viele Entwicklungsländer haben ein Bruttosozialprodukt pro Einwohner, das bei etwa fünf Prozent eines OECD-Mitgliedslandes liegt. Aber die Entwicklungsländer müssen die gleichen Importpreise für Öl bezahlen. Dies bedeutet, dass ihre volkswirtschaftliche Belastung für den Ölimport um den Faktor 20 höher liegt. Etwa 40 Entwicklungsländer zahlen heute schon für den Import von Erdöl mehr als sie insgesamt Exporteinnahmen haben. Dies bedeutet: Sie haben auf dieser Energiebasis keine Chance auf eine wirtschaftliche Entwicklung. Die Ölimporte werden zum Devisenfresser.

Dieses Problem verschärft sich zusehends in immer mehr Entwicklungsländern, je stärker die Ölpreise ansteigen. Bereits im Jahr
2004 mussten die Entwicklungsländer für den Import des Erdöls etwa 100 Milliarden Dollar zusätzlich bezahlen - deutlich mehr als die Entwicklungshilfe aller Industriestaaten zusammen. Im Jahr 2005 wird diese Zusatzrechnung noch höher ausfallen.

Dezentrale Versorgung vorteilhafter

Hinzu kommt, dass über viele Jahrzehnte hinweg der Energieversorgung der Entwicklungsländer ein falsches Muster zugrunde lag. Das war das Muster der entwickelten Industriestaaten mit Großkraftwerken zur Stromerzeugung. Hierfür wurden die Energiekredite der Weltbank und anderer Entwicklungsbanken vorzugsweise vergeben.

Die Großkraftwerke wurden eingepflanzt in gesellschaftliche Strukturen mit weit überwiegend ländlicher Bevölkerung. Mit anderen Worten, die Stromversorgung konzentrierte sich auf die großen Städte. Der eigentlich kostspielige Teil an einem Energieversorgungssystem, nämlich der Bau von Überlandnetzen, war nicht bezahlbar. Die Folge war, dass damit indirekt massenhaft Landflucht provoziert wurde, mit abgehängten ländlichen Räumen und überquellenden, rapide anwachsenden Städten und millionenfachem Anwachsen der Zahl von Slumbewohnern.

Völlig übersehen worden war bei dieser Entwicklung, dass in den Industriestaaten die Energieversorgung keineswegs mit einer zentralistisch organisierten Struktur begonnen hatte, sondern dezentral auf kommunaler Ebene. Diese Dezentralisierung, einhergehend mit Zug um Zug erfolgter Netzanbindung, zog sich über viele Jahrzehnte hin. Dieser energiesoziologische Zusammenhang wurde im Bezug auf die Entwicklungsländer völlig übersehen. Was stattfand war ein grundfalsch angelegtes "Leapfrogging", also der untaugliche Versuch, eine Entwicklungsstufe zu überspringen.

Praktische Umsetzung

Tatsächlich geht es aber um eine soziologisch angepasste Energiebereitstellung, die gleichzeitig die Entwicklungsländer in die Lage versetzt, ihre mühsam erworbenen Devisen einzusparen. Das heißt:
Nirgendwo ist die Mobilisierung erneuerbarer Energie dringlicher als in den Entwicklungsländern.

Der Umsetzung steht jedoch ein hartnäckiges Vorurteil gegenüber: Die Kosten dafür seien zu hoch. Tatsächlich ist es unter den Bedingungen der Entwicklungsländer so, dass keine Energieversorgung billiger ist als die mit erneuerbaren Energien aus heimischen Quellen. Neben der Deviseneinsparung ist es dadurch möglich, Infrastrukturkosten zu vermeiden, die das eigentlich kostspielige an einem Energiesystem sind.

Die Chance dazu gibt es nicht erst, seitdem dezentral einsetzbare solare Stromerzeugungsanlagen (Photovoltaik) bereitstehen. Es gab sie schon lange zuvor durch die Kleinwasserkrafttechnik oder auch durch Windstromanlagen für die Dörfer der Dritten Welt. Es gab sie auch schon früher durch den Einsatz von heimisch produziertem Pflanzenöl oder Bioethanol in Kraftfahrzeugen, statt diese weiter mit Benzin oder Diesel zu betanken.

Diese Chancen blieben ungenutzt, obwohl sie gleichzeitig viele Arbeitsplätze in den Entwicklungsländern hätten entstehen lassen können.
Die Voraussetzungen dafür sind Mikrokredite, also eine radikale Umstellung der Kreditportfolios der Entwicklungsbanken und handwerkliche Ausbildungsmaßnahmen. Beides muss organisiert werden.

Das beste Instrument dazu wäre die vom Weltrat für Erneuerbare Energien geforderte Einrichtung einer Internationalen Agentur für Erneuerbare Energien, die auch die Einrichtung von regionalen Transferzentren für Erneuerbare Energien in Entwicklungsländer gezielt vorantreibt. Die Initiative für die Schaffung einer solchen Agentur steht auch im vereinbarten Arbeitsprogramm der Großen Koalition. Der Bundestag hat sich schon in der letzten Legislaturperiode dieser Forderung angeschlossen und auch das Internationale Parlamentarierforum für Erneuerbare Energien, das auf Einladung des Deutschen Bundestages im Juni 2004 in Bonn stattfand. Jetzt geht es um die praktische Umsetzung dieser Initiative.

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