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Artikel erschienen in Frankfurter Rundschau, 09. November 2001 

...im Kampf gegen den Terrorismus 

Bekämpfung des politischen Terrorismus, der ruchlos mordet und sich über elementare Rechtsregeln des Zusammenlebens hinwegsetzt, ist selbstverständlich. Dies gilt auch und gerade, wenn sich Terrorismus religiös zu legitimieren versucht – angesichts der besonders exzessiven Religionskriege, die wir auch aus der eigenen europäischen Geschichte kennen. Andernfalls ist die wichtigste zivilisatorische Errungenschaft, der demokratische Verfassungsstaat und das humanitäre Völkerrecht, von Grund auf gefährdet.

Die entscheidende Frage ist, wie dieser Terrorismus bekämpft wird. Um sie rechtsstaatlich verurteilen zu können, muss man Terroristen erst einmal fassen. Die Überwindung von Ursachen reicht allein nicht aus, wenn die Notwendigkeit akuter terroristischer Gefahrenabwehr besteht.

Es war ein schwerer psychologischer und politischer Fehler, diese Abwehr als „Krieg“ und nicht als militärpolizeiliche Terroristenbekämpfung – zu bezeichnen. Der falsche Begriff erst verursacht Ängste und Irritationen – und verführt zu falschen militärischen Aktionen.

Es war und ist ebenso ein schwerer Fehler, Bomben – noch dazu Streubomben – zu werfen, mit denen zivile Opfer riskiert worden sind – statt nur gegen eindeutig eingrenzbare und identifizierte Terroraktivisten. Die Folge: wachsende Solidarisierung mit der Taliban und Bin Laden im islamischen Raum statt Austrocknung ihres Sympathisantenbodens. Ebenso falsch ist es, einhellige Forderungen der Hilfsorganisationen zu überhören, ihre Arbeit nicht durch Bombeneinsätze zu erschweren. Diejenigen, die vor Ort Hilfe leisten, tragen ein größeres Risiko als jeder Pilot eines angreifenden Flugzeuges – und auch als die Bundeswehrsoldaten in den ihnen zugedachten Aufgaben. Es ist auch höchst fragwürdig, mit windigen Figuren in der Nordallianz zu kooperieren: dieser Fehler wurde schon mehrmals gemacht, in den 90er Jahren mit der Taliban selbst. Noch ist auch kein Konzept zu sehen, was denn anschließend mit Afghanistan geschehen soll: es kann eigentlich nur zunächst ein UN-Protektorat sein, auf der Basis der Wiederherstellung einer humanen Prinzipien entsprechenden Ordnung und Befriedigung von afghanischer Region zu Region. Die öffentliche Debatte über diese Fragen – nicht nur in internen Regierungszirkeln – ist zwingend, vor allem innerhalb der Regierungsparteien, einschließlich der Kritik an kontraproduktiven Militäraktionen und den Warnungen vor einer unkontrollierbaren Eskalationsdynamik.

Dies steht nicht im Widerspruch zu den bevorstehenden Bundeswehreinsätzen. Mir stellt sich dabei nicht die Frage, ob ein Einsatz deutscher Soldaten bereits für sich ein Überschreiten des Rubikons in eine Kriegsteilnahme ist, sondern die nach dem tatsächlich überschaubaren und verantwortlichen militärpolizeilichen, politischen und humanitären Zweck. Sanitätseinheiten, ABC-Abwehrhilfen, Lufttransportkapazitäten für Hilfsgüter für Millionen Menschen? Dafür sprechen mehr humanitäre als militärische Gründe. Kommandoeinheiten? Damit kann man einen Terroristenherd ausheben, vielleicht analog zu den GSG-9-Kommando Ende 1977 in Mogadischu. Im Sinne des unbezweifelbar notwendigen Zwecks der Terroristenbekämpfung kann dies nicht gefahrensteigernd oder kontraproduktiv sein. Begleitschutz für Schiffe im Indischen Ozean: Hier habe ich die große Fragezeichen – weniger wegen der akuten Situation, sondern weil wir dadurch möglicherweise dauerhaft in die bestehende Absurdität einbezogen werden könnten, die militärische Sicherung der Öltransporte mitzufinanzieren, die die Amerikaner schon seit Jahren viermal mehr kostet als das aus Arabien gelieferte Öl selbst. Dies müssten eigentlich die Ölgesellschaften bezahlen, während unsere begrenzten öffentlichen Mittel besser dafür eingesetzt werden, um uns von der Ölabhängigkeit zu befreien. Dieses Problem, das den meisten nicht bewusst ist, wird uns noch beschäftigen.

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