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(c) Landesinitiative Zukunftsenergien NRWArtikel erschienen in Frankfurter Allgemeine Zeitung, 27. Februar 2001 

Die ökologische, ökonomische und kulturelle Aktivität des solaren Bauens. Etwa 40 Prozent des Gesamtenergieverbrauchs findet allein für die Wärmebereitstellung in Gebäuden statt. Energiebewusstes Bauen ist damit der wichtigste Ansatz einer Umwelt- und Klimavorsorge. Die Praxis hinkt den Anforderungen jedoch weit hinterher. Sie begann, unter dem Eindruck des Ölschocks der 70er Jahre, mit Effizienztechnologien und Wärmedämmung.

Letzteres geriet besonders unter Architekten eher in Verruf: dieser Art der fossilen Energieeinsparung standen immer kleiner werdende Fenster, luftdichte Räume, schimmelnde Wände und chemische Dämmstoffe, mit denen ein hoher Energie- und Entsorgungsaufwand verbunden ist, gegenüber. Erst mit solarem Bauen kommen wir wirklich zur Problemlösung. Dies aber bedeutet sehr viel mehr als die bloße Installation von Solaranlagen auf Dächern.

Eine solare Architektur entwickelt sich erst seit den 90er Jahren, mit bemerkenswerten Projekten – etwa das Fortbildungszentrum Mont Cenis von Hecker und Jourda in Herne, die Jugendbildungsstätte von Herzog in Windberg, die Stadtbibliothek von Schempp in Herten, das von Foster umgesetzte Energiekonzept Kaisers im rekonstruierten Reichstag, die Bundesstiftung Umwelt von Schneider-Wessling in Osnabrück, die Solarsiedlung von Disch in Freiburg oder das Jugendhaus von Hübner in Möglingen. Es geht dabei nicht um eine neue Architekturrichtung unter mehreren, sondern um neue Prinzipien des Bauens, die künftig allen baulichen Gestaltungen zugrundeliegen sollten. Sie zielen auf nur mit Hilfe der Sonnenenergie erreichbare energieautarke und emissionsfreie Gebäude, ohne sich dabei auf einzelne Techniken, Konstruktions- und Gestaltungsformen festlegen zu müssen.

„Architekten und Ingenieure müssen in Kenntnis der lokalen Gegebenheiten, der bestehenden Ressourcen und der maßgeblichen Kriterien für die Verwendung von erneuerbaren Energien und Materialien ihre Projekte entwerfen. Neue Gestaltungskonzepte sind zu entwickeln, welche die Sonne als Licht- und Wärmequelle bewusst machen“, heißt es in der „Europäischen Charta für Solarenergie in Architektur und Stadtplanung“, die 1996 von dem Münchner Architekturprofessor Thomas Herzog verfasst wurde. Was das Bauen an energetischer Beliebigkeit verliert, gewinnt es – neben der individuellen und der gesellschaftlichen Umweltqualität – an neuer Gestaltungskreativität, wenn das Gebäude insgesamt als ein System verstanden wird, das für unterschiedliche und wechselnde Ansprüche die Umweltenergien optimal nutzt.

Dabei gilt das Hauptaugenmerk der Mehrfachfunktion von Materialien und Hausenergietechniken. Dazu gehören die Einbindung von dauerhaften Materialien in Stoffkreisläufe; die Nutzung und Lenkung möglichst viel natürlichen Lichts zur Reduzierung des Strombedarfs; die Nutzung von Solartechniken als integrierte Bauteile; die Berücksichtigung von Temperaturstufen und thermischer Zonierung in den Gebäudefunktionen. Die Gebäudehülle wird für Licht, Wärme, Luft und Sicht durchlässig und dabei veränderbar, um auf wechselnde Innen- und Außenbedingungen reagieren zu können. Es ist low techn, light tec und high tech, aufeinander abgestimmt.

Die ökologische einschließlich der gesundheitlichen Bedeutung des solaren Bauens ist evident. Der Nutzerkomfort ist höher. Die ökonomische Bedeutung erwächst daraus, dass es sich um Gebäude mit dauerhaft verdrängten konventionellen Energiekosten handelt. Die Solartechnik ist zugleich Dach, Fassade, Sonnenblende, Balkon oder Verschattungselement. Die wirtschaftliche Vergleichsgröße wird das konventionelle Bauelement und nicht mehr die konventionellen Energiekosten. Angesichts der sich in der ersten Hälfte des 21. Jahrhunderts erschöpfenden Erdöl- und Erdgasvorkommen und damit verbundener Preissteigerungen wird ein mit fossilen Energien versorgtes Haus zur wirtschaftlichen Hypothek. Bei einer Investition in ein langlebiges Produkt – und das ist vor allem das Haus – muss das heute schon bedacht werden.

In den nun zu Ende gehenden Zeiten fossilen Energieüberflusses der Industrieländer wurde vergessen, dass Energie stets ein knappes Gut war. Deshalb wurde stets unter Berücksichtigung der gegebenen geographischen Verhältnisse gebaut. Daraus entstand die breite Vielfalt von in regionale und lokale bioklimatische Bedingungen eingepassten Bauweisen, von denen wir heute wieder viel lernen können. Solares Bauen wird wieder zu einer neuen Vielfalt unterschiedlicher Baukulturen führen, erleichtert durch unsere technischen Möglichkeiten und damit auf einem anderen Niveau als dem der traditionellen Baukulturen.

Die solare Architektur entspricht gleichzeitig unseren tragenden Werten – der Demokratie in individueller Freiheit und gesellschaftlicher Verantwortung - und ermöglicht diesen ihre baulichen Ausdrucksformen. Energieautarke Gebäude bedeuten mehr individuelle Freiheit und sind gleichzeitig wegen der vermiedenen Umweltlasten praktizierte Mitverantwortung für die Allgemeinheit. Sonnenlicht und –wärmedurchflutete Gebäude erfordern eine transparente Bauweise und entsprechen damit demokratischer Kultur: Demokratie setzt Transparenz voraus, damit die Menschen wissen, worüber sie überhaupt entscheiden.

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