Menu Content/Inhalt
Artikel erschienen in Frankfurter Allgemeine Zeitung, 17. Juni 2007

Von Hans Riebsamen. Der gesetzliche Mindestlohn ist ein zentrales Anliegen der hessischen Sozialdemokraten. Gleich acht Anträge dazu haben den Delegierten des Parteitags der SPD Hessen-Süd am Wochenende in Flörsheim vorgelegen. Mit großer Mehrheit fand ein Antrag der Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmer Zustimmung, in dem der Parteivorstand und die sozialdemokratischen Mitglieder von Bundesregierung und Bundestag dazu aufgefordert werden, die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohnes von mindestens 7,50 Euro zu forcieren.

Die südhessischen Sozialdemokraten waren sich in diesem Punkt derart einig, dass darüber nicht einmal diskutiert werden musste. Wie überhaupt wenig diskutiert wurde auf diesem Parteitag. 

Schwindende Parteimitglieder

Die Einführung einer Vermögenssteuer, ein Tariftreuegesetz, das die Vergabe öffentlicher Aufträge an die Einhaltung von Tariflöhnen bindet, ein Ende der europaweiten Ausschreibungen von Verkehrsleistungen: Alle diese und viele andere Anträge wurden von den Delegierten durchgewinkt. Die lebhafteste Debatte gab es über Beitragsquittungen: Auf Antrag der Ortsvereine sollen sie künftig per Post versandt werden. Was kurios klingt, hat einen ernsten Hintergrund – den Mitgliederschwund.

Seit 1980 hat die südhessische SPD die Hälfte ihrer Genossen verloren, die noch Aktiven sind dementsprechend hoch belastet. Motivierte Mitglieder, deren Engagement für politische Arbeit und Wahlkämpfe benötigt werde, müssten stattdessen Beitragsquittungen verteilen, hieß es folgerichtig in der Begründung des Antrags.

Doch wer soll das Porto bezahlen, lautete die Frage des Schatzmeisters. Der für weitere zwei Jahre als Parteichef bestätigte Landtagsabgeordnete Gernot Grumbach machte mit Erfolg einen Vorschlag zur Güte: Jeder Ortsverein kann die Quittungen per Post verschicken lassen, muss aber die Kosten für Briefmarken selbst tragen. Die Fallhöhe zwischen utopischen Plänen und alltäglicher Realität ist an diesem Punkt besonders deutlich geworden.

Ypsilanti will Studiengebühren abschaffen

Zwei Reden haben den Parteitag bestimmt: eine kämpferische des Europaabgeordneten Udo Bullmann und eine visionäre des Bundestagsabgeordneten Hermann Scheer. Bullmann griff scharf die hessische CDU-Regierung an, warf ihr vor, das von den Sozialdemokraten in Jahrzehnten aufgebaute Erbe verspielt zu haben. Die hessische Wirtschaft rangiere im Punkt Dynamik auf einem unteren Rang, die jungen Leute hätten es in Hessen schwerer, in den Beruf zu kommen. Unter einer SPD-Regierung werde jeder Arbeitslose mindestens innerhalb von zwölf Monaten ein Angebot erhalten, jeder Jugendliche innerhalb von sechs Monaten einen Anschluss für eine Qualifikation finden.

100 Millionen Euro wolle eine Regierung unter Andrea Ypsilanti für den Mittelstand investieren. Auch die Bildungsausgaben werde eine SPD-geführte Regierung erhöhen, es müsse Schluss damit sein, dass Hessen nur 3,3 Prozent seines Bruttoinlandproduktes für Bildung ausgebe gegenüber 4,8 Prozent im Bundesdurchschnitt. Am Freitagabend schon hatte schon die Spitzenkandidatin Andrea Ypsilanti angekündigt, dass eine von ihr geführte Landesregierung unverzüglich die Studiengebühren abschaffen werde.

Der umjubelte Star des Parteitags aber war der Bundestagsabgeordnete Hermann Scheer, den Ypsilanti zu ihrem Energie- und Wirtschaftsminister machen möchte. Der Träger des „alternativen Nobelpreises“ rief zu einer „Energiewende“ auf, durch die eine Klimakatastrophe abgewendet werden solle. Für Scheer stellt ein Wechsel auf erneuerbare Energien die zentrale Herausforderung des Jahrhunderts dar. „Jetzt handeln!“, rief er den Delegierten zu, die hessische SPD solle sich hierbei an die Spitze setzen. Mit großer Mehrheit nahmen die Delegierten einen „Aktionsplan für Hessen“ an, der voll und ganz auf erneuerbare Energien setzt.

www.faz.net

Wir benutzen Cookies

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.