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Artikel erschienen in Darmstädter Echo, 26. Juni 2007 

Heppenheim. Der Träger des alternativen Nobelpreises Hermann Scheer war am Freitag auf Einladung des DGB-Ortsverbands Heppenheim zu einem Vortrag in die Martin-Buber-Schule in Heppenheim gekommen. Über hundert Zuschauer hörten sich die Ausführungen des SPD-Bundestagsabgeordneten zum Thema „Neue Arbeitsplätze durch regenerative Energien“ an. Unter den Zuschauern waren Jan Kirchhein und Christopher Kaiser von der AG Energie der Odenwaldschule, die die Photovoltaikanlage vom Dach des Paul-Geheeb-Hauses vorstellten. 44 Solarmodule produzieren dort seit 2001 mit einer Leistung von fünf Kilowatt etwa 4500 Kilowattstunden Strom pro Jahr.

Hermann Scheer erläuterte zunächst, wie abhängig die Energieversorgung der Industrienationen derzeit von politisch äußerst instabilen Regionen der Welt ist. So kämen fast zwei Drittel der derzeitigen Ölvorräte aus Erdölfeldern, die größtenteils in Ländern des islamischen Staatenbundes lägen. Zudem hielten nur wenige global agierende Energiekonzerne Förderung und Vermarktung der Erdölvorkommen in ihren Händen.

"Kein einziges dieser Länder ist eine Demokratie und die Energiekonzerne spielen mit den Regierungen der Industrienationen Katz und Maus. Dass diese Regierungen noch ruhig schlafen können ist eigentlich unglaublich", so Herrmann Scheer. Seiner Ansicht nach ist diese Situation allein Grund genug, das gegenwärtige System der Energieversorgung neu zu ordnen – selbst wenn es den globalen Klimawandel nicht gäbe.

Der allerdings sorgt für einen zusätzlichen Zeitdruck. Wie die Energieversorgung der Zukunft aussieht, ist für Scheer klar: dezentral muss sie sein und gespeist von regenerativen Energiequellen, die dort angezapft oder gewonnen werden sollten, wo die Energie gebraucht wird. Wer Wärme braucht, sollte Wärme erzeugen, und nicht erst Öl verbrennen, aus dieser Wärme Strom machen und aus dem Strom dann wieder Wärme.

Auch Energietransporte über weite Strecken seien Energieverschwendung, ebenso wie der Einsatz von wasserstoffbetriebenen Brennstoffzellen, wenn der Strom zum Herstellen des Wasserstoffs aus Kohle- oder Kernkraftwerken stammt. Über die gesamte Produktionskette vom Uran- oder Kohlebergwerk zum Brennstoffzellen-Fahrzeug kämen durch Lecks und Wandlungsverluste am Ende nur wenige Prozent von der ursprünglichen Primärenergie an.

Wenn die so verlorene Energie gar nicht erst erzeugt werden müsse, senke sich unser Energiebedarf enorm. Kleine Biogaskraftwerke könnten beispielsweise mit Windrädern und Solaranlagen gekoppelt werden. Die Biogasanlage produziert die Energie immer dann, wenn Wind und Sonne dafür nicht ausreichen. Ausgleichende Systeme dieser Art seien auch in der herkömmlichen Energiebranche überhaupt nichts Neues. Schon seit vielen Jahren speichere man beispielsweise in Kohlekraftwerken erzeugten Strom, der gerade nicht abgesetzt werden könne, unterirdisch in Form von Druckluft.

Das funktioniere natürlich auch mit regenerativ erzeugtem Strom aus Windrädern. Mit vielen solchen Beispielen machte Scheer, der auch Vorsitzender des Weltrates für Erneuerbare Energien ist, deutlich, wie sinnlos das Festhalten an Großkraftwerken sei und dass es möglich sei, innerhalb weniger Jahre ohne Kernenergie und ohne fossile Großkraftwerke eine Energiewende hin zu den regenerativen Energien zu meistern.

Für Hessen sei das sogar bis 2013 realistisch, wenn die Laufzeit des Kernkraftwerks Biblis zu Ende geht. Die Erneuerbaren haben seiner Ansicht nach aber noch einen weiteren, ganz besonderen Charme: Sie könnten der Schlüssel zukünftiger Regionalentwicklung sein. Die Kaufkraft, die derzeit über fossile Energieträger wie Erdöl oder Erdgas ins Ausland abfließt, bliebe dann bei dem regionalen Handwerker, der eine Wärmedämmung auf die Hausfassade aufbringt oder bei dem Solateur, der den Sonnenkollektor aufs Hausdach montiert.

Einige Unternehmer aus dem Bereich der regenerativen Energien waren unter den Zuschauern. Der Heppenheimer Physiker Franz Schreier setzt derzeit mit dem Darmstädter Energieversorger "Natur Pur" ein Pilotprojekt zur solaren Strom- und Wärmeerzeugung für Gewächshäuser um.

Der Rimbacher Unternehmer Franz Mitsch wurde sogar vor einigen Tagen vom Bergsträßer Landrat Matthias Wilkes (CDU) mit dem Mittelstandspreis ausgezeichnete. Das Unternehmen wuchs innerhalb von elf Jahren von einem auf 43 Mitarbeiter. Die Firma ist spezialisiert auf schalldämmende Produkte für Windkraftanlagen und arbeitet mittlerweile weltweit. Es gibt noch etliche weitere Projekte dieser Art an der Bergstraße und in der Rhein-Neckar-Region.

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