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berliner_zeitung.gifArtikel erschien in der Berliner Zeitung,               26./27. Januar 2008, von Jörg Michel

Als Hermann Scheer vor einiger Zeit nach seiner liebsten Beschäftigung gefragt wurde, antwortete er: Reden. Jeder, der sich schon einmal mit ihm unterhalten hat, kann das bestätigen. Ist Scheer erstmal in Fahrt, gibt es kein Halten mehr. Dann spricht der SPD-Bundestagsabgeordnete von der ökologischen Krise, dem solaren Zeitalter, der Kraft der Sonne, dem Weltklima, der Energieabhängigkeit.

Und zwar ohne Unterbrechung. Sage und schreibe 103 Minuten lang redete Scheer jüngst auf einer Wahlkampfveranstaltung im Odenwald so auf seine Zuhörer ein. Sein Fahrer hat die Zeit gestoppt.

Scheer, 63, ist ein Überzeugungstäter. Er hat 1999 den alternativen Friedensnobelpreis bekommen. Er ist Vorsitzender des Weltrates für erneuerbare Energien. Der Verfechter einer radikalen Energiewende, den sie im Bundestag gern Solarfighter nennen, ist also ein Mann von Welt - den es nun in die Provinz zieht.

Seit vergangenem Jahr ist Scheer auch Minister für Wirtschaft und Umwelt im Schattenkabinett der hessischen SPD-Spitzenkandidatin Andrea Ypsilanti. Die will am Sonntag Amtsinhaber Roland Koch von der CDU ablösen und setzt dabei ganz auf die Kompetenz Scheers. Der plant mit seinem Landesenergieprogramm eine ökologische Radikalkur: 690 neue Windkraftanlagen, 600 Solarparks, 280 Biogasanlagen und 60 Wasserkraftwerke sollen Hessen vom Industrie- ins Solarzeitalter führen. Die Atommeiler will Scheer vom Netz nehmen, neue Kohlekraftwerke sollen nicht gebaut werden.

Dass die Union die Pläne für Utopie hält, wird Scheer leicht verschmerzen können. Ebenso die Skepsis beim möglichen Koalitionspartner. Selbst die Grünen halten ihn für etwas überambitioniert. Richtig weh tut jedoch die Kritik aus den eigenen Reihen: Scheers langjähriger parteiinterner Gegenspieler, der ehemalige Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement, rät den Hessen wegen des Energieprogramms explizit ab, die Sozialdemokraten zu wählen. Dem strauchelnden Amtsinhaber Koch leistet er damit unverhoffte Schützenhilfe. Scheer nimmt es gelassen. "Gegenwind ist einer wie ich gewöhnt", sagt er, der vielfach Geehrte.

Die britische Zeitung Guardian zählt Scheer sogar zu jenen fünfzig Menschen auf der Erde, die eine Klimakatastrophe noch verhindern können. Nun ist Hessen nicht die Welt, aber für Hermann Scheer doch ein lohnender Anfang.

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