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Laudatio von Dr. Wolfgang Palz auf Dr. Hermann Scheer anlässlich der Verleihung der Ehrendoktorwürde der Universität Lüneburg, 04.Juli 2007


Hermann Scheer ist unbestritten die treibende Kraft zur Vorbereitung des Solarzeitalters in Deutschland, in Europa und vielen Teilen der Welt. Die Zeitschrift 'Stern' hat ihn jüngst den Sonnenkönig genannt - aber wegen unserer schlechten Erfahrungen mit Sonnenkönigen in der Vergangenheit würde ich ihn doch lieber den Herold der Sonne  nennen. Seine Rolle ist international in vielfältiger Weise anerkannt. Das Time Magazine etwa nominierte ihn zum ‚Hero for the Green Century’ und im schwedischen Parlament erhielt er den Alternativen Nobelpreis.

Als prominentes Mitglied der Friedensbewegung in den 80er Jahren, erkannte er die Schlüsselrolle der Erneuerbaren Energien für eine nachhaltige Entwicklung der Menschheit: Er ist nicht nur ein Anwalt der Sonne, er ist darüber hinaus ein großer Friedenskämpfer und Humanist.

Seit 1981 war er im Deutschen Bundestag Obmann seiner Fraktion für Abrüstung und Rüstungskontrolle. Damals hat er sich gegen den NATO-Doppelbeschluss, getragen durch seinen Kanzler Helmut Schmidt, gestellt. Es war die Zeit der Menschenketten, die sich dann aus Protest tausende km lang durchs Land zogen. Und er behielt recht; es war ja letztendlich nicht der Konfrontationskurs des Westens, der die Sowjets in die Knie zwang, sondern eher deren Afghanistanabenteuer.

Immer geht es Hermann Scheer um die Sache, nicht um seine persönliche Karriere. In seinem Buch 'Die Politiker' hat er auf die Selbstverliebtheit vieler Vertreter seiner Zunft hingewiesen: ihm geht es nicht um die Karriere von Hermann Scheer sondern um den Erfolg einer neuen Energiepolitik!

Und so kann er doch mit etwas Stolz zurückblicken auf die Lawine 'Erneuerbare Energien' die er ins Rollen gebracht hat: hundert tausende neuer Arbeitsplätze, Investitionen allein in Deutschland von über 100 Milliarden Euro, hunderte mittelständischer Unternehmen, die neu entstanden sind, dutzende, die den Sprung an die Börse geschafft haben. Ein Amerikaner, der kürzlich die 'Intersolar' in Freiburg besuchte, schreibt, "Arriving in Germany by plane, and then travelling ...through the country by train, it is immediately obvious that this is a country doing something about its energy future.... Solar has definitely gone mainstream there".

Es wäre aber ein großer Irrtum zu glauben, dass dies alles vom Himmel gefallen ist; aus eigener Erfahrung als Mitglied einer Enquête-Kommission des Bundestages weiß ich, dass die Erneuerbaren Energien bei den meisten maßgeblichen Politikern in Berlin und vielen Energieexperten eher scheel angesehen wurden; auch musste man in den Anfangstagen die alteingesessene 'Solarindustrie' eher zum Jagen tragen. Heute sieht alles anders aus, da inzwischen auf diesem Sektor viel Geld zu verdienen ist. Da hat eben zur rechten Zeit einer dran gedreht, und das war maßgeblich Hermann Scheer.

Das persönliche Werkzeug, das ihm gegeben wurde, befähigt ihn in der Tat zu Großem. Von außergewöhnlicher Intelligenz, von großer Beharrlichkeit und großem Fleiß verfolgt er unablässig und zielstrebig das, was er zum Sinn seines Lebens erhoben hat: den Umbau der konventionellen Energiewirtschaft zum Solarzeitalter. Zwiespältige Züge seines Charakters machen ihn nur um so sympathischer: einerseits ist er von Natur aus umgänglich und ungewöhnlich freundlich und bescheiden, andererseits kennt er in der Abrechnung mit den Vertretern der konventionellen Energiewirtschaft keine künstliche Zurückhaltung. Ein anderes Beispiel ist, dass er als unabhängiger und freier Geist im Alleingang seine Konzepte entwickelt, dann aber mit viel Charme vielerlei menschliche Allianzen schmieden kann, nicht zuletzt um zum Beispiel im Deutschen Bundestag seine Ideen auch in gesetzliche Regelungen umsetzen zu können. Typisch ist seine Rolle als Mitglied des Vorstands der SPD, in den er immer wieder als populärer Parteiführer gewählt wird; dort sind beileibe nicht alle fanatische Anhänger einer Sonnenstrategie und entsprechen ist er dort 'beliebt'; aber seine schiere Mitgliedschaft führt dazu, dass man sein Anliegen anzuerkennen hat.

Was steht nun noch auf dem Spielplan zur Erreichung des von Hermann Scheer propagierten Solarzeitalters. Die Zielvorgabe, die damit einhergeht, ist es, innerhalb einer Generation, also etwa in den nächsten 50 Jahren, unsere Energieversorgung komplett auf die Erneuerbare Energien umzustellen - nicht etwa nur zu 50%, über die hinaus selbst 'fortschrittliche' Energieexperten nicht gehen wollen. Was bisher in Deutschland erreicht wurde, wäre also nur ein Klacks! Dabei spricht der EU Ministerrat bei der Festlegung eines Beitrags von 20% der Erneuerbaren bis 2020 bereits von industrieller Revolution!

Kein Mensch ist gegen die Sonne, das würde auch dem Dümmsten nicht einfallen. Demonstrationen gegen die Atomenergie gab und gibt es aus guten Gründen immer wieder. Aber nie wäre dies vorstellbar gegen die Sonne.

Aber beim zweiten, genaueren Hinsehen, gibt es Probleme mit der Sonne: Sollen wir uns tatsächlich für unsere Stromversorgung weitgehend von Sonnen- und Windstrom abhängig machen, und damit den Launen des Wetters, wir Exportweltmeister und Europas größte Wirtschaftskraft? Würden wir unsere heutige Ölversorgung ganz auf nachhaltige Rohstoffe umstellen wollen, müssten wir das ganze Land mit Energieplantagen zupflastern – und das würde nicht mal reichen. Die konventionelle Energiewirtschaft lässt grüssen.

Und wie sagt dann Hermann Scheer, der moderne Galileo: es geht doch. Wie soll doch schon Albert Einstein gemeint haben: Wenn eine Idee nicht zuerst absurd erscheint, taugt sie nichts.

Wir reden hier nicht von Peanuts! Der von Hermann Scheer geforderte Umbau des ganzen Energieversorgungssystems bedeutete allein für unser Land die Neuorientierung nicht nur von Milliarden € oder Billionen €, sondern bis zu einer Trillion Investitions-Euro!

Die Logik, die Hermann Scheer entwickelt hat, um den Weg ins Solarzeitalter einsichtig zu machen, hat er in vielen Schriften vorgestellt: mehr als 10 Bücher hat er veröffentlicht, die vielmals übersetzt sind. 13 seiner Schriften sind in der 'Library of Congress' vertreten. Es vergeht kaum ein Tag, an dem er seine Ideen nicht irgendwo auf der Welt vorträgt. Er hat Vereinigungen gegründet, Zeitschriften herausgegeben und Preise gestiftet. Mit der Initiative für IRENA, einer neuen Internationalen Agentur für die Anliegen der Erneuerbaren Energien, ist es ihm gelungen, auch einen neuen politischen Ansatz seitens der Bundesregierung in Gang zu setzen.

Aber Hermann Scheer kann auch anders. 3 Beispiele sollen genügen, um zu illustrieren, wie er sich aus der Position des Schwächeren durchsetzen kann.

(1) 1968 als Studentenführer in Heidelberg, einer Hochburg der Revolte, hat er als Vorsitzender der Generalversammlung das Votum der gewaltwilligen Studentenmehrheit überspielt und größere Ausschreitungen verhindern können,

(2) 1987 erreichte er gegen den Willen seiner Fraktion, die dazu auch noch in der Opposition war, dass es eine Sondersitzung des Bundestages gab mit dem Ergebnis, dass die Bundesregierung Kohl auf die Installierung der Pershing Ia verzichtete,

(3) 2000 setzte er gegen die Empfehlung des Bundeskabinetts, das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) von der Zustimmung des EU-Wettbewerbskommissars abhängig zu machen, die unverzügliche Verabschiedung dieses Gesetzes durch den Bundestag durch.

Die heutige Ehrung ist daher nicht nur ein höchst verdienter Dank für das von Hermann Scheer bisher Geleistete, es ist eine zusätzliche Ermutigung auf dem steinigen Weg, der noch vor uns liegt.

In diesem Sinne lieber Hermann, Glück auf! wie wir im Saarland sagen...

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