Menu Content/Inhalt

Iniative for an International Renewable Energy Agency

 










Der energethische Imperativ, Verlag Antje Kunstmann, 2010.

Energieautonomie
Energieautonomie. Eine neue Politik für Erneuerbare Energien. Verlag Antje Kunstmann, 2005.
Energy Autonomy.
The Economic, Social and Technological Case for Renewable Energy. Earthscan/James & James, Dezember 2006.

Abschlussrede von Hermann Scheer, MdB, Präsident von EUROSOLAR und Vorsitzender des Internationalen Parlamentarierforums Erneuerbare Energien 2004, Bonn, 02. Juni 2004

Wir haben jetzt 10 Stunden Internationales Parlamentarier-Forum hinter uns. Es haben etwa 60 Parlamentarier geredet, Kollegen aus allen Kontinenten sind zu Wort gekommen. In Punkt 14 der Resolution, steht: »Wir, die Parlamentarier dieses Internationalen Parlamentarier-Forums über erneuerbare Energien verpflichten uns, alles in unsere Macht Stehende zu tun, um die Überlegungen und Empfehlungen der vorliegenden Resolutionen in unseren jeweiligen Staaten umzusetzen. Wir verpflichten uns, uns für die Zustimmung unserer jeweiligen Parlamente zu dieser Resolution einzusetzen, damit das enorme Potenzial der erneuerbaren Energien zur Bewältigung der Herausforderungen, denen sich die Menschheit gegenübersieht, genutzt wird.«

Noch vor zehn Jahren gab es kaum energiepolitische Strategien und kaum energiewissenschaftliche Studien, in denen die erneuerbaren Energien eine Rolle spielten. Erneuerbare Energien wurden vollständig unterschätzt. Teilweise wurden sie total ignoriert, als wären sie eine Non-Option.

Auch das internationale Institutionensystem hat in dieser Frage versagt. Es gab zwar im Jahr 1981 eine Konferenz der Vereinten Nationen in Nairobi über erneuerbare Energien. Sie war eine Reaktion auf die Ölkrisen der Jahre 1973 bis 1982. Und sie war motiviert vom Nord-Süd-Bericht der Nord-Süd-Kommission unter dem Vorsitz von Willy Brandt. Damals tauchte erstmals die Forderung nach einer Internationalen Agentur für erneuerbare Energien auf. In Nairobi forderten die Länder der Dritten Welt verstärkte Anstrengungen für erneuerbare Energien. Sie haben damals auch die Agentur gefordert. Aber die Industrieländer haben das abgelehnt und versprochen, dass die bestehenden Institutionen diese Aufgaben übernehmen würden. Zehn Jahre später war das Ergebnis, dass über erneuerbare Energien weniger diskutiert worden war als in den siebziger Jahren.

Es gab dann die Rio-Konferenz über Umwelt und Entwicklung, die die berühmte Agenda 21 verabschiedete. Obwohl über das Klimaproblem gesprochen worden ist, wurde über die Ursache des Klimaproblems kaum diskutiert und nicht darüber, dass die Verschuldung der Dritten Welt in den Zeiten der Ölkrise von 200 Milliarden Dollar auf 1,2 Billionen Dollar angewachsen war. Dies hätte schon in Rio deutlich machen müssen, wie wichtig es ist, sich von der Abhängigkeit von Importenergie zu lösen und stattdessen heimische Energien – und das sind immer erneuerbare Energien – in den Mittelpunkt zu stellen.

Heute müssen manche Länder für den Import von Öl mehr bezahlen als sie überhaupt
Exporteinnahmen haben. Wenn alles, was wirtschaftlich erarbeitet wird, schon von den Energieimporten aufgefressen wird, haben sie alle Chancen verloren. Ein Land, das heute ein Bruttosozialprodukt pro Einwohner von 10% im Verhältnis zum Durchschnitt der Industrieländer hat, muss für den Import von Energie aber dasselbe bezahlen wie ein Industrieland. Das heißt: der wirtschaftliche Belastungsfaktor für den Import dieser Energie ist 10 mal so hoch! Wir müssen erkennen, dass erneuerbare Energien keine ökonomische Last sind. Sie sind für die Entwicklung aller unserer Gesellschaften von Nord bis Süd, von Ost bis West eine einzigartige Chance. Eine Chance, die dauerhaft ist. Eine Chance, die verhindert, dass immer mehr Länder in die Falle der sich erschöpfenden und damit teurer
werdenden fossilen Energie tappen. Wenn sie einmal in dieser Falle sind, wird das ökonomische Dilemma praktisch nicht mehr lösbar. Dann wird Energie für immer mehr Menschen – auch in reichen Ländern – und für ganze Volkswirtschaften in zunehmendem Maße unbezahlbar, neben denen, für die heute schon die Energie unbezahlbar ist. Das spricht – selbst wenn es überhaupt keine ökologischen Probleme bei den konventionellen Energien geben würde – elementar für eine Orientierung auf erneuerbare Energien.

Erneuerbare Energien werden, weil alle Kosten – außer bei der Bioenergie – in die Bereitstellung der Technik gehen, immer billiger. Die fossilen Energien werden dagegen immer teurer – neben den sonstigen Schäden, die sie hinterlassen.

Der Wechsel zu erneuerbaren Energien hat erstrangige weltwirtschaftliche und weltpolitische Gründe. Wir sollten nicht übersehen, dass die Kriege der letzten 20 Jahre am Persischen Golf – ob der irakisch-iranische, der Golfkrieg von 1991 oder der Irak-Krieg – nicht stattgefunden hätten, wenn in dieser Region Datteln angebaut würden statt Öl gefördert.

Es ist notwendig, die Sperre im Kopf zu überwinden, dass es eine wirtschaftliche Zumutung wäre, den Weg zu erneuerbaren Energien zu gehen. Makroökonomisch können dadurch heute schon eminente Vorteile aufgezeigt werden. Das nützt den einzelnen Investoren alleine noch nichts. Deswegen muss es politische Förderprogramme geben. Die politischen Programme müssen die makroökonomischen Vorteile transformieren in mikroökonomische Anreize zur Mobilisierung erneuerbarer Energien. Das ist die wichtigste Leitlinie für Strategien für erneuerbare Energien.

Die Entwicklungsländer haben einen dringenden Energiebedarf. Sie erleben die Flucht in die Städte. Ihre ländlichen Räume werden immer mehr marginalisiert, weil es dort keinen Zugang zu modernen Energiesystemen gibt. Die Städte werden immer größer. Mit einer Infrastruktur für vielleicht 1 Million Einwohner leben vielfach 10 Millionen Einwohner, sodass die Slums explosionsartig wachsen. Schnelle Energiebereitstellung für die ländlichen Räume ist nur möglich, wenn die hohen Infrastrukturkosten eines herkömmlichen Energiesystems umgangen werden können.

Das ist nur mit erneuerbaren Energien möglich: Dezentrale Energieversorgung, die Rückkoppelung der Räume des Energieverbrauchs der Menschen mit den Räumen der Energiegewinnung. Das bedeutet eine Revitalisierung der Landwirtschaften in der Welt und eine wirtschaftliche Belebung der ländlichen Räume. Das ist ein anderes Zukunftsmodell als das in den letzten 200 Jahren praktizierte.

Unser heutiges Forums zeigt einen breiten Konsens, der in vielen Reden zum Ausdruck gekommen ist, für die Einrichtung der internationalen Agentur für erneuerbare Energien. Die institutionelle Diskriminierung erneuerbarer Energien im internationalen Institutionensystem muss überwunden werden. Es gibt die Internationale Atomenergie-Agentur, es gibt die Internationale Energie-Agentur, die eine Agentur der OECD-Länder ist, die für die fossile Energiesicherheit gegründet worden ist. Und es gibt ein großes Loch, was die Frage der institutionellen Verankerung der erneuerbaren Energien anbetrifft.

Die erneuerbaren Energien brauchen ein institutionelles Heim in der Welt, einen Referenzpunkt, der die Regierungen kostenlos berät bei der Entwicklung von Strategien zur Mobilisierung erneuerbarer Energien. Wer die existierenden Agenturen für notwendig hält, kann die Notwendigkeit einer Agentur für erneuerbare Energien nicht mehr seriös bestreiten. Sie wäre eine Hilfe für alle – vor allem für den nichtkommerziellen Technologietransfer in die Länder, die heute Entwicklungsländer heißen.

Der nicht-kommerzielle Technologietransfer ist das Entscheidende. Entwicklungsländer haben die Chance, mit erneuerbarer Energie Devisen einzusparen. Sie gewinnen dann auch die Chance, diese Technologien selbst zu produzieren. Das ist eine Perspektive, die mit einer solchen Agentur vorangetrieben werden kann. Ich glaube, dass diese Forderung sich durchsetzen wird, wenn auch es noch einige Widerstände zu überwinden gilt. Ich freue mich, dass es in dieser zentralen Frage einen großen Konsens gegeben hat. Ich möchte schließen mit einem Aphorismus eines polnischen Schriftstellers, der die Frage sehr stark berührt oder gar genau trifft, mit der wir es hier zu tun haben. Dieser Aphorismus lautet: »Die meisten Menschen fangen viel zu früh an, die wichtigen Dinge im Leben zu spät zu beginnen.«

Wenn es um die Bereitstellung mit erneuerbarer Energien für die weitere zivilisatorische
Entwicklung geht, dürfen wir nicht zu spät kommen. Es gibt schon einen Vorschlag unseres brasilianischen Kollegen, Herrn Fernando Paulo Gabeira, ein zweites Parlamentarier-Forum für erneuerbare Energien in Brasilien durchzuführen. Was wir heute in Gang gesetzt haben, kann im Staffellauf um die Kontinente gehen.

Auf Wiedersehen!

Wir benutzen Cookies

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.