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Iniative for an International Renewable Energy Agency

 










Der energethische Imperativ, Verlag Antje Kunstmann, 2010.

Energieautonomie
Energieautonomie. Eine neue Politik für Erneuerbare Energien. Verlag Antje Kunstmann, 2005.
Energy Autonomy.
The Economic, Social and Technological Case for Renewable Energy. Earthscan/James & James, Dezember 2006.

Rede von Hermann Scheer, Präsident von EUROSOLAR, bei der Konferenz "Konferenz Solarenergie für Afrika", Heinrich-Heine-Universität, 05. September 2003, Düsseldorf

Meine Damen und Herren, ich möchte meine Ausführung auf den Zusammenhang zwischen Weltenergieversorgung und Erneuerbaren Energien konzentrieren. Um diesen Zusammenhang herausarbeiten zu können, ist es notwendig, einen historischen Rückblick zu machen. Einen Rückblick über die letzten 200 Jahre industriell-technischer Entwicklung, insbesondere in der ersten Welt, die aber dann zum Vorbild geworden ist für den übrigen Teil der Welt - bis zu einem Stadium, in dem wir uns jetzt befinden - den ich als „die Falle“ bezeichne, die Weltfalle des konventionellen Energiesystems.

Es wird über erneuerbare Energien seit vielen Jahren in einer äußerst merkwürdigen Weise diskutiert. Das merkwürdigste daran ist, dass immer behauptet wird, die erneuerbaren Energien seien als Kostenfaktor zu hoch - es sei eine ökonomische Last, ein economic burden, und aus diesem Grunde könne man diese Last entweder überhaupt nicht tragen, oder wenn, dann nur im internationalen Rahmen auf der Basis eines internationalen Konsenses - nach dem Prinzip „alle oder keiner“.

Dieses war auch das Problem des berühmten Kyoto-Protokolls zu den Weltklimaverhandlungen.

Das gesamte Problem des Kyoto-Protokolls lässt sich genau auf diesen Punkt zurückführen. Denn wenn es als Last verstanden wird, dann beginnt das Gefeilsche, der Bazar um die Lastenverteilung. Dieser Bazar hat fast 10 Jahre gedauert. Und wenn es als Last bezeichnet wird, ist es auch ziemlich wahrscheinlich- und genauso wurde es - dass das Ergebnis ziemlich dünn ist.

Es wurde in der gesamten Zeit praktisch nie darüber diskutiert - jedenfalls war das nie die Prämisse dieser ganzen internationalen Debatte - dass es sich um eine einzigartige ökonomische Chance handelt.

Ich behaupte - um in erster Linie den Blick auf die Entwicklungsländer zu legen - dass die Entwicklungskrise in den Ländern des Südens vor allem, in allererster Linie eine Energiekrise ist.
Und zwar eine Energiekrise des heutigen Weltenergiesystems, das ein atomar-fossiles ist.
Wir können das anhand des Verhältnisses der volkswirtschaftlichen Kosten darstellen, die die Länder der sogenannten 3. Welt für den Import von Erdöl aufbringen müssen.

Erdöl stellt heute zu 40% den weltweiten Energiebedarf an kommerziellen Energien.
Und Sie wissen alle die Bedeutung des Erdöls für die Mobilität.

In Afrika können wir heute schon feststellen, dass ungefähr ¾ der Länder für den Import von Erdöl mehr Geld ausgeben müssen, als sie überhaupt insgesamt Exporterträge haben. Sie haben daher keinerlei Chance auf der Basis der fossilen Energien. Es ist nicht möglich, irgendeine Aktivität ohne Energieeinsatz zu entfalten, sei es eine zivile oder eine ökonomische. Es ist deshalb auch nicht möglich, eine wirtschaftliche Tätigkeit zu betreiben, ohne dass vorher der Energiebereich bestellt ist.

Wenn alleine für die Bereitstellung der Energie das Geld, das man überhaupt als Ertrag erwirtschaften kann, schon ausgegeben worden ist, heißt das, dass es auf der Basis dieses Energiesystems keinerlei Chance gibt für eine wirtschaftliche Entwicklung, die gedeihlich wäre für diese Länder.

Mit anderen Worten: Es ist die größte Entwicklungschance für die Länder der 3. Welt - die mit Abstand größte, die Elementarste, die Ausschlaggebende, von der alles weitere abhängt, dass sie von den fossilen Energieimporten wegkommen und sich statt dessen auf solche Energiequellen stützen, die nicht importiert werden müssen - und das ist dann eben in den meisten Ländern fast zwangsläufig die erneuerbare Energie.

Erneuerbare Energien sind also keine ökonomische Last - sie sind die ökonomische Grundbedingung für jede wirtschaftliche und soziale Entwicklung. Dass sie Grundbedingung für eine ökologische Entwicklung sind, ergibt sich von selbst. Damit sind wir schon bei dem Kernproblem angelangt.

Der Beleg für die Bedeutung dieser Frage ergibt sich auch aus den Ölkrisen zwischen 1973 und 1982. Diese Ölkrisen damals waren Ölpreiskrisen. Sie waren vorwiegend politisch bedingt durch die politischen Konflikte im Nahen Osten.

1973 war die Verschuldung der 3. Welt bei ungefähr 200 Milliarden Dollar.
9 Jahre später, nachdem die 2. Ölkrise beendet worden war, war die Verschuldung auf 1,2 Billionen Dollar angewachsen - also versechsfacht in 9 Jahren.

Der wesentlichste Grund dafür war, dass die Länder der 3. Welt diese höheren Energiepreise erst recht nicht mehr bezahlen konnten. Man muss sich die Dramatik dieses Vorgangs bewusst machen, was nur mit sogenannten makroökonomischen bzw. volkswirtschaftlichen Überlegungen und Zahlen geht.

Wir haben Anfang der 70er Jahre in den afrikanischen Ländern - um nur von denen zu sprechen - Energieimportkosten gehabt bis zu 10% der Erträge durch die Exporte der jeweiligen Wirtschaft. Nur 5 - 10%. Es ist heute bei ¾ der Länder - wie schon gesagt - über 100%. Ein unglaublicher Vorgang!

Man kann dieses Problem auch individualisieren. Wir kennen ja die Kaufkraftunterschiede im Verhältnis des jeweiligen Bruttosozialprodukts eines Landes, einer Volkswirtschaft zur jeweiligen Zahl der Einwohner. Und so haben wir praktisch in den meisten Entwicklungsländern höchstens 10%, manchmal 5%, manchmal sogar noch weniger des Einkommens pro Kopf - im Verhältnis zu den Industrieländern.

Aber auf den internationalen Energiemärkten muss man dasselbe zahlen für den Import von Erdöl oder anderer Energie. Gemessen an der Kaufkraft der Menschen wird dort, wegen der Abhängigkeit von den fossilen Energieimporten, das zehn- bis zwanzigfache für Energie bezahlt, als das bei uns der Fall ist. Auch dies zeigt, dass es die größte soziale Bremse ist, wenn weiter am fossilen Energiesystem festgehalten wird.

Die Preise sind aber nicht das einzige Problem, das sich stellt. Es gibt noch ein massives Strukturproblem. Und an dieser Stelle beginne ich den Rückblick auf unser Energiesystem - im Vergleich zu den Energiebedingungen in der 3. Welt.

Unser heutiges Energiesystem hat mit der industriellen Revolution begonnen. Die industrielle Revolution wird in der Regel markiert - durchaus zu Recht - mit dem Beginn des Einsatzes der Dampfmaschine. Bei diesen Dampfmaschinen kam relativ schnell dazu, dass die Kohle der dafür geeignetste Energieträger war. Das war damals schon nicht wirklich richtig - aber das war die Entwicklung. Die Kohle wurde also zum Hauptträger des Industrialisierungsprozesses. Mit dieser Dampfmaschine entstand die Energiewirtschaft - etwas, das es vorher nirgendwo gab. Es sind viele Prozesse dadurch möglich geworden. Der erste Prozess war der, dass die industrielle Massenproduktion gestartet werden konnte.

Es wurde mit deutlich weniger Energieeinsatz möglich, sehr viel mehr Produktionserträge zu erzielen - und es wurde gleichzeitig möglich, in immer größerem Stil, menschliche und tierische Arbeitskraft durch maschinelle Kraft zu ersetzen.

Man hatte dafür allerdings einen Kapitalbedarf.
Und diejenigen, die als Erste diesen Prozess starteten, waren natürlich diejenigen, die damals schon einigermaßen begünstigt waren - aufgrund ihrer politischen oder wirtschaftlichen Stellung - oder aufgrund ihrer geographischen Stellung - wenn sie Kohlevorkommen hatten. Nicht zufällig begann der ganze Industrialisierungsprozess - weil es damals noch sehr schwer war, größere Energievolumen zu transportieren - dort, wo man die Kohle gefunden hat.

Es begann also die industrielle Massenproduktion. Es begann gleichzeitig im weltweiten Maßstab die Beschleunigung des Transportwesens - auch auf der Basis der Dampfmaschinentechnologie - die Dampfmaschinenschifffahrt.
Es begann drittens, einige Jahrzehnte später, eine weitere Beschleunigung des Transportwesens durch diese Technologie - nämlich die Eisenbahn - getrieben durch Dampflokomotiven.

Und wiederum einige Jahrzehnte später setzte der vierte große Schritt ein - nämlich die Erzeugung von Strom durch Dampfkraftwerke, mit denen dann in immer größerem Maßstab Elektrizität in immer größer werdenden Anlagen produziert wurde.

Wir sollten nicht denken, dass wir diese Phase schon hinter uns hätten. Praktisch alle Großkraftwerke - wenn es sich nicht um große Wasserkraftwerke handelt - arbeiten noch heute nach dem Prinzip der Dampfmaschine - mit einer Technologie des 18. Jahrhunderts. Es ist das Rückgrad, das eigentliche Etikett der heutigen weltweiten Stromversorgung.

Die Probleme, die dadurch hervorgerufen werden, insbesondere in Ländern, in denen es ein Wassermangel gibt, sind abenteuerlich groß. Sie werden jetzt erst allmählich erkannt - im Zusammenhang mit sich immer mehr häufenden Energieversorgungs- bzw. Stromversorgungskrisen, gerade da, wo die Wasserkrise eskaliert.

Alle diese Dampfkraftwerke haben einen extrem hohen Wasserbedarf. Es ist nicht nur der Wasserbedarf für den Dampf selbst - es ist nicht nur der Wasserbedarf dafür, dass sehr viel in die Atmosphäre verdampft oder dafür, dass auch Kühlungen notwendig sind - es ist auch die Veränderung des ökosphärischen Wasserhaushalts und der Kondensationsströme des Wassers, die dadurch stattfinden.

Aus der natürlichen Kondensation von Wasser durch die Sonne wird eine technische Kondensation in einem hochkonzentrierten Maßstab mit Kondensationskraftwerken. Das verändert radikal die regionalen Wasserhaushalte. Es trägt dazu bei, dass es in den entsprechenden Regionen immer weniger regnet - dafür immer konzentrierter Regen woanders stattfindet - wo dann auf einmal flutsturzartig das Wasser herunterkommt und gar nicht mehr aufgenommen werden kann. Da existieren dann parallel nebeneinander Flutkatastrophen und Dürrekatastrophen - und beide haben dieselbe Ursache.

Von daher gesehen ist es schon absolut unverantwortlich, irgendwo in den südlichen Ländern, wo es nicht mehr sehr viel Wald gibt oder wo es Wasserversorgungsprobleme gibt, irgendein konventionelles Kraftwerk zu bauen, das auf dem Kondensationsprozess basiert. Das gilt für Ölkraftwerke, für Gaskraftwerke und selbstverständlich auch für Kohlekraftwerke. Auch diese arbeiten nach demselben Prinzip. Sie haben auch den mit Abstand höchsten Wasserbedarf - weil hier der größte Kühlbedarf gegeben ist, wie auch in den entsprechenden Atomkraftwerken.

Trotzdem erleben wir alleine im südlichen Mittelmeerraum, dass jährlich dort etwa 2000-3000 Megawatt Großkraftwerke nach dem Kondensationsprinzip neu installiert werden - so dass der Teufelskreis immer gravierender wird. Der Teufelskreis zwischen herkömmlicher Energieversorgung und eskalierender Wasserkrise.

Die Entwicklung der Energiewirtschaft hat sich über die Dampfprozesse und über den Kohleeinsatz gebildet. Es war auf einmal notwenig, konzentriert Energie bereitzustellen.
Vorher lief die Energieversorgung ungefähr so, wie es noch heute in manchen Regionen der Welt der Fall ist, wo man sich im wesentlich auf natürliche Energien, also erneuerbare Energien stützt. Da die Transportmöglichkeiten auch nicht so sehr entwickelt waren, hat man sich aus der natürlichen Umgebung der menschlichen Siedlungsgebiete mit natürlicher Umgebungsenergie versorgt.

Dies war der Grund, warum es seinerzeit bis vor ungefähr 200 Jahren kaum möglich war, dass irgendwo ein Siedlungsgebiet größer wachsen konnte als bis zu 50 000 Einwohnern. Dann war die Grenze der Verfügbarkeit, der Bereitstellungsmöglichkeit von Energie, einschließlich der Nahrungsmittel überschritten oder erreicht. Meistens schon vorher.

Es gab um 1800 eine einzige Stadt in der Welt, mit mehr als 1 Million Einwohnern - das war London - mit knapp mehr als 1 Million Einwohnern. Das war auch nur möglich, wegen des Londoner Hafens.

Im Zuge der Entwicklung der Energiesysteme und der Transportsysteme, wurde es gleichzeitig möglich, immer mehr die Räume der Energienutzung, des Energieverbrauchs von den Räumen der Energiegewinnung, der Förderung von Energien, zu entkoppeln - in weltweitem Maßstab. Dies machte es den Industrieländern möglich, in zunehmendem Maße die fossilen Energievorkommen der Welt zu erschließen.


Wir haben heute die Situation einer globalisierten Energiekette, in der praktisch das gesamte Weltenergievorkommen privilegiert von den Industrieländern in Anspruch genommen wird, weil sie es als einzige bezahlen können. Und diese Situation hat einen Zwang zur immer größeren Zentralisierung der Energieversorgung herbeigeführt.

Wenn Energie teilweise über den halben Erdball transportiert wird, mit der dazu notwenigen Infrastruktur, von den relativ wenigen Förderplätzen hin zu den Endverbrauchern überall in der Welt, dann ist klar, dass dieses einen unglaublich großen Aufwand bedeutet. Lange Wege, viel Infrastruktur, immer größere Tankschiffe, immer größere Raffinerien, immer größere Kraftwerke und gleichzeitig immer größere Abhängigkeiten. Es bedeutet, dass hiermit eine Situation entstand, die heute an zwei Grenzen stößt und bei Entwicklungsländern schon lange an eine dritte Grenze gestoßen ist.

Die erste Grenze ist – das kann niemand ernsthaft bestreiten - dass die Zeit der billigen konventionellen Energiequellen zu Ende ist. Zwar billig für die Industrieländer - schon lange aber viel zu teuer für die Entwicklungsländer. Aber auch diese Zeit ist zu Ende. Wir müssen damit rechnen, dass in etwa 40 Jahren das Erdöl, das in flüssiger Form gefördert werden kann, zu Ende ist – und im Laufe der nächsten 40 Jahre teurer und teurer und teurer wird.

Mit jeder Verteuerung im Zuge der Entwicklung eines nachlassenden Angebots - weil die Energiequellen sich erschöpfen - und einer immer noch steigenden Nachfrage aufgrund einer wachsenden Weltbevölkerung - muss damit gerechnet werden, dass es im Laufe der nächsten 2-3 Jahrzehnte lineare Preisentwicklungen gibt, die als allererstes die 3. Welt in ein ökonomisches Delirium führen werden.

Denn sie sind diejenigen, die als allererste keine höheren Energiepreise vertragen können.
Indien und vor allem China, die den Weg des wirtschaftlichen Wachstums und der Industrialisierung schnell kopieren wollen – können dieses nicht erreichen, wenn sie es auf der Basis fossiler Energie tun – weil sie die dafür notwenigen Energiepotentiale nicht mehr bekommen können – bzw. in immer geringerem Maße bekommen können.

Seit etwa 5, 6 oder 7 Jahren sind Indien und China Energieimporteure geworden. Das waren sie vorher nicht. Und wer sich anschaut, dass in Indien und China 1/3 der Weltbevölkerung lebt - mit zwei Milliarden Menschen - kann sich die Dramatik dieses Prozesses vorstellen.

Manche erwähnen in diesem Zusammenhang die nichtkonventionellen fossilen Energiequellen - ohne dabei darüber zu sprechen, dass deren Förderung die Kosten verzehnfachen wird und gleichzeitig die ökonomische Weltkrise massiv weiter vorantreiben wird, und zwar in weit größerem Ausmaß, als das jetzt schon der Fall ist. Diese Option auf die nichtkonventionellen Energiequellen, von der der amerikanische Präsident Bush spricht und träumt, und von der auch vor 3 Tagen der deutsche Wirtschaftsminister als Möglichkeit gesprochen hat, ist eine blanke Illusion. Eine gefährliche Illusion!

Es besteht also die Notwendigkeit, dass in der in den nächsten 5 Jahrzehnten die Ablösung des fossilen Energiepotentials einschließlich der Atomenergie mit höchster Konsequenz beschritten werden muss - um nicht nur ökologische, sondern auch wirtschaftliche und soziale Katastrophen nie dagewesenen Ausmaßes zu vermeiden. Einige der Katastrophen werden Kriege sein.

Da ohne Energie nichts geht, ist die Verfügbarkeit von Energie - der Kampf dafür - eine Frage existentieller Bedeutung. Die Zeit der Energiekriege hat längst begonnen. Auch den Irakkrieg hätte es nicht gegeben, wenn im Irak Datteln angebaut würden, statt Öl gefördert. Inzwischen wird das auch zugegeben.

Es gibt viele andere Konflikte, die genau in dieselbe Situation hineinpassen. Und es reicht nicht, nur gegen den Irakkrieg gewesen zu sein, sondern die Glaubwürdigkeit ergibt sich daraus, dass man auch diese Kriegsursachen bekämpft. Die Überwindung der Kriegsursache ist die Ablösung der Abhängigkeit von fossilen Energien durch erneuerbare Energie von Amerika bis Europa und Japan - und allen anderen Ländern auch. Das ist die Antwort.

Alles andere wird dazu führen, dass die militärischen Sicherungskosten für die Sicherung der Ölquellen und Gasquellen - obwohl sie sowieso zu Ende gehen - demnächst so hoch sein werden wie der Umsatz möglicherweise, der in der Energieversorgung überhaupt gemacht wird.

Die amerikanische Regierung hat in den letzten 10 Jahren - seit 1991 jedes Jahr - allein für ihre militärische Präsenz in der Golfregion, um gegebenenfalls militärisch den Zugang zu dem Energiepotential sichern zu können - 50-60 Milliarden Dollar ausgegeben. Pro Jahr!

Das war für jedes Barrel Öl, das von dort nach Amerika geliefert worden ist, ein militärischer Sicherungsaufwand von 100 Dollar. Pro Barrel Öl. Teilweise 8 x höher, als überhaupt das Barrel Öl gekostet hat.

Wenn man auch noch die asiatische Region hinzuzieht - den Transkaukasus, Turkmenistan, Kasachstan, Kyrgystan, Tadschikistan, Usbekistan – sieht man, dass es dort inzwischen überall eine militärische Truppenpräsenz gibt. Das hat nur diesen Grund. Allein die amerikanischen Gesamtkosten für den militärischen Sicherungsaufwand für Öl - für die Ölpotentiale, für die Ölreserven dort - liegen vielleicht irgendwo zwischen 120 und 150 Milliarden Dollar im Jahr. Und es steht in keiner Energierechnung.

Deswegen gilt sogar an allererster Stelle für Amerika, dass es ökonomisch wesentlich sinnvoller und intelligenter wäre, statt den letzten privilegierten Zugang zu Sicherung dieser Ölpotentiale noch ein paar Jahre länger aufrechtzuerhalten, diese Mittel für die Bereitstellung erneuerbarer Energien im eigenen Land zu mobilisieren - und überall sonst. Und was für Amerika gilt, gilt für Europa ganz genauso.

Es ist auch eine der Gründe für die europäisch-amerikanischen Verstimmungen beim Irakkrieg, dass natürlich viele in Amerika denken, die Europäer profitieren doch auch davon, dass sie die Ölquellen militärisch sichern. „Und wenn wir dann einen Krieg führen, um es wirklich sicherstellen zu können, dann sollen sie gefälligst auch mitmachen“. Das ist der eigentliche Hintergrund für diese psychologische und politische Spannung.

Wie schon angedeutet - reicht es für Europa nicht aus, nicht nur nicht mitzumachen - sondern es ist zwingend, die richtige Antwort zu geben. Die richtige Antwort ist eben, alles daran zu setzen für sich selbst, bis hin zu einer vollen Priorität in der Entwicklungshilfe, erneuerbare Energien zu unterstützen.

Warum das für die dritte Welt besonders gravierend ist - ergibt sich aus einer soziologischen Betrachtung - neben einer ökonomischen Betrachtung.
Vor 200 Jahren, als die Industrialisierung begann, baute man nicht sofort Großkraftwerke - sondern man ist allmählich hineingewachsten von den Kohlerevieren in immer größere Strukturen der Energieversorgung - in immer größere Kraftwerke.

Menschen haben ja gar keine andere Wahl, als den Energiequellen zu folgen - sonst können sie nicht existieren. Also ist die Zivilisationsentwicklung, die wirtschaftliche Entwicklung den Energiequellen gefolgt - soweit sie bereit gestellt wurden. Es hat sich dann ausdifferenziert, weil es nach einer gewissen Zeit - vor ungefähr 100 Jahren - möglich wurde, Stromleitungen über das ganze Land zu legen, so dass Strom überall hin transportiert werden konnte.

Deswegen konnte man die Siedlungskonzentration ab einem bestimmten Punkt aufhalten. Deswegen haben wir in Europa keine 20-Millionen-Städte, sondern sind Städte wie Wien, Berlin, Paris oder London seit Jahrzehnten kaum noch gewachsen. Es war eben möglich, Energie überall bereitzustellen. Es ist eine Infrastruktur entstanden für die breite Verteilung insbesondere von Strom.

Nun ist, als die moderne Entwicklungshilfe in den 50er Jahren begann, ein fataler Fehler gemacht worden, der bis heute nicht bereinigt ist. Dieser fatale Fehler war, zu sagen: „Wenn in den Ländern der 3. Welt jetzt Energiesysteme bereitgestellt werden, dann nehmen wir das Modernste und das Größte“. So, wie es sich entwickelt hatte in den Industrieländern - nach 150 Jahren Industrieentwicklung, die parallel lief zu einem allmählichen Übergang von zunächst landwirtschaftlicher Produktion hin zu industrieller Produktion, zu Dienstleistungsberufen.

Das vollzog sich für die Menschen hier oft sehr schnell im Rückblick - aber im Verhältnis zu den Ländern der 3. Welt relativ langsam. Deswegen konnte es auch ohne allzu große soziale Krisen bewältigt werden.

Man hat also ein Energiesystem, das ein Ergebnis eines 150jährigen Industrialisierungsprozesses in den Industrieländern gewesen ist, in Länder der 3. Welt implantiert, wo in den meisten Fällen noch 90% der Menschen in ländlichen Räumen leben. Dort wurde ein Energiesystem implantiert, das total konträr zur soziologischen Struktur war.

Dadurch ist die Landflucht dramatischen Ausmaßes provoziert worden. Deswegen haben wir Städte wie Sao Paulo, die vor 50 Jahren 2 Millionen Einwohner hatten und jetzt 25 Millionen. Weil man den Strom ja gar nicht in die ländlichen Räume brachte! Der Kostenaufwand dafür - der hier auch nie sofort bereitgestellt wurde, weil es hier Jahrzehnte dauerte - war natürlich dort erst recht nicht zu realisieren. Die Energieversorgung hat sich also, als Kopie vom entwickelten industriellen Muster, dort in die Städte gepflanzt - und sie kamen gar nicht aufs Land.

Und weil sie nicht aufs Land kamen, kamen die Menschen in die Stadt – weil sie meinten, dadurch allein eine Chance zu bekommen - den Zugang zu Radio, den Zugang zu Licht und all dem, was so attraktiv ist und so einfach ist - aber natürlich eine Voraussetzung braucht.

Und so haben wir dann eben die Entwicklung von Bombay bis Kalkutta. Kairo hatte vor 40 Jahren 3 Millionen Einwohner, heute hat es 15 Millionen Einwohner - mit einer Infrastruktur für 2 Millionen. Viele andere Städte ganz genauso: Mexiko-City mit 25 Millionen Einwohnern. 1968, als ich dort anlässlich der Olympischen Spiele war, hatte Mexiko-City 3 Millionen Einwohner. Und der Prozess ist noch längst nicht zu Ende.

Um von Indien zu sprechen: Noch immer leben dort von einer Milliarde Menschen 700 Millionen im ländlichen Raum. Trotzdem gibt es schon Kalkutta und Bombay und Delhi - mit 10, 15, 20 Millionen Einwohnern und immer größer werdenden Slums und zerstörten sozialen Strukturen.
Aber immer noch gibt es 700 Millionen, die vielleicht dorthin wollen.

Dazu kommt die Modernisierung der Landwirtschaft. Der Kleinbauer aus Indien oder aus Tansania kann nicht auf die Landwirtschaftsmesse gehen. Es sind die Agrarkonzerne, die das tun und die das Kleinbauerntum vernichten werden. Das Ergebnis wird sein, dass zahllose Menschen - immer noch die Mehrheit - ihre Existenzgrundlage im ländlichen Raum endgültig verlieren werden. Und die Slums werden größer. Und alle anderen Probleme auch.

Das ist alles unmittelbar zusammenhängend mit der Energiebereitstellung. Wir müssen die Energietechnik dorthin bringen, wo die Menschen sind - weil die Energie, die die Menschen haben könnten, schon da ist. Das ist die erneuerbare, die solare Energie.

Die Menschen brauchen die Technologie - um sie dort nutzen zu können, wo sie arbeiten und leben. Sie müssen die vielen Geräte, die das Leben erleichtern, die Mobilität erleichtern und die Arbeit erleichtern, auch bekommen können.

Die größte Chance - eine zivilisatorische Chance - der erneuerbaren Energien ist die Rückkoppelung der Räume des Energieverbrauchs mit den Räumen der Energiegewinnung. Und das ist nur mit den erneuerbaren Energien möglich. Denn der entscheidende strukturelle Unterschied zwischen erneuerbaren Energien und fossilen Energien ist eben genau dieser.

Es gibt deshalb drei Unterschiede: Hier die erschöpflichen Energiepotentiale - dort die unerschöpfliche Sonnenenergie. Und alle erneuerbare Energien kommen ja direkt oder indirekt von der Sonne. Es ist die größte Energielüge unserer Zeit, an der sich zahllose Experten, auch Professoren beteiligen, wenn sie dafür honoriert werden, dass das Potential der erneuerbaren, der solaren Energien nicht ausreichen würde, um die Weltenergieversorgung sicherzustellen. Das ist die große Energielüge. Eine Lüge existentieller Art, selbstmörderischer Art.

Wenn diese These stimmen würde, müssten diejenigen, die sie verbreiten, gleich hinzufügen, dass spätestens mit der nichtbestreitbaren Erschöpfung der fossilen Energiepotentiale die Zivilisation zu Ende wäre - weil sie ohne Energie nicht existieren kann. Gott sei Dank haben sie nicht recht.

Der zweite fundamentale Unterschied ist der ökologische Unterschied. Hier die Energien, die die Ökosphäre, von der alles Leben abhängt derart beanspruchen, dass die ökologische Weltkrise immer breitere Ausmaße annimmt - mit immer höheren Folgekosten, die in keiner Energierechnung stehen. Dort ein Energiepotential, das emissionsfrei ist, oder emissionsneutral, wenn es um Biomasse geht, die nachgebaut wird - die also nicht einfach rausgerupft wird, ohne dass man neu anbaut.

Und dann kommt eben der dritte, der strukturelle Unterschied: Die herkömmlichen Energiepotentiale, fossile, konventionelle – sind an wenigen Plätzen der Welt zu finden, aber überall gebraucht. 60% des Weltölpotentials an Erdöl kommt von nur 40 giant fields, Groß-Ölquellen! 60% des Weltenergieverbrauchs! Und 26 von diesen 40 giant fields, sind in der Golfregion.

Erneuerbare Energien gibt es überall - als natürliches Energieangebot. Es vermeidet immense Infrastrukturkosten. Und weil es sie überall gibt, ist es unsinnig, mit erneuerbaren Energien das herkömmliche Energiesystem zu kopieren, das hochzentralisiert ist.

Es ist hochzentralisiert, weil das die ökonomische Logik der fossilen Energiebereitstellung ist - wegen der langen Distanzen und wegen der Notwendigkeit, Energietransporte in immer größerem Volumen zu tätigen.

Es gibt also eine spezielle ökonomische Logik jeder Energie. Es gibt keine allgemeine ökonomische Energielogik. Ein Energiesystem, das wir uns machen, muss zugeschnitten sein für die Befriedigung unserer Energiebedürfnisse. Es muss zugeschnitten sein, weil es physikalisch nicht anders geht. Nach dem Energiefluss strukturiert sich das Energiesystem.

In der Kette der Energiebereitstellung lagen die meisten Kosten – und weil man die Kettenkosten in der 3. Welt nicht aufbringen konnte, um den Strom in die ländlichen Gebiete zu bringen, blieb er nur in der Stadt. Und die Städte wuchsen und wuchsen und wuchsen. Es war einfach viel leichter und billiger, ein Kraftwerk dorthin zu stellen, als die ganzen Stromnetze noch in die Dörfer zu legen.

Wir brauchen das bei erneuerbaren Energien nicht. Wir haben die Möglichkeit, die natürliche Umgebungsenergie unmittelbar umzusetzen. Wir haben diese Möglichkeit bei der Kleinwasserkraft, bei der solaren Strahlungsenergie, wir haben sie bei Wind

[...]

Die UN-Habitat-Weltkonferenz hat sich über die Weltbevölkerungs- und Siedlungsentwicklung wie folgt geäußert: Angesichts der bisherigen Entwicklung - wenn wir diese linear fortschreiben - wird im Jahr 2050 80% der Weltbevölkerung in Städten von über einer Million Einwohnern leben.

Es wird aber nicht passieren, weil die Energiebasis dafür verschwinden wird. Schon deshalb wird es nicht passieren. Es ist auch keine hoffnungsvolle Perspektive, denn wir können uns jetzt schon vorstellen, wie die meisten Städten aussehen würden: Eine Vorhölle der Menschheit - in den anwachsenden Slums.

Nein - wir müssen die ländlichen Räume revitalisieren – wir müssen die Energie, die dort ist, nutzen. Die Energietechnik dorthin bringen. Und das heißt: Erneuerbare Energien.

Deswegen - um zum Schlusssatz zu kommen - meine Empfehlung: Beenden Sie die Diskussion einer reinen Betrachtung, einer Reduzierung dieser ganzen Probleme auf die aktuellen Stückkosten - isoliert vorgenommen. Das ist ein völlig unzureichender Ansatz, der dazu führt, dass man es eben als ökonomische Last betrachtet, die nicht tragbar ist.

In den meisten Ländern der 3. Welt wird gesagt: „Okay, wir machen erneuerbare Energien, aber nur, wenn es uns bezahlt wird - über Entwicklungshilfe. Den Rest machen wir konventionell, soweit es nur irgendwie geht“. Das ist absurd. Das ist gegen das eigene Interesse.

Ich war vor 4 Monaten in Indien. Dort gibt es schon ungefähr 20 000 - 30 000 Solarhomesystems.
Man kann in Indien nachweisen: In Gebieten, wo mindestens 300 - 400 Millionen leben, die noch keinen Stromnetzanschluss haben, ist die Photovoltaik heute schon billiger - jedenfalls nicht teurer - als einen Dieselgenerator bereitzustellen.

Warum geschieht dieses nicht in breitem Umfang? Weil der Dieselgenerator subventioniert wird - aber nicht die Solarenergie. Man würde noch nicht einmal zwingend Solarenergiesubventionen brauchen - wenn man nur die Dieselsubvention streichen würde. Was heißt denn hier ökonomische Last? Das sind die Situationen, die im Grunde genommen eine Diskussions- und Denkwende in der Betrachtung erneuerbarer Energien herbeiführen müssten.

Ein Land der 3. Welt, das noch keine konvertible Währung hat - das gilt für viele - wird mit jeder eingeführten Solaranlage bei sich - die den Import von Erdöl spart - seine Zahlungsbilanz um diesen Betrag verbessern können. Deswegen ist es so zwingend, anders zu denken, anders zu rechnen, als das im herkömmlichen Energiesystem der Fall war.

Jede partikulare Betrachtung, die die Zusammenhänge nicht betrachtet, führt auf Abwege und auf Irrwege. Dankeschön.

Kommentar: Mein Name ist Hoffmann. Ich habe seit vielen Jahren schon mit der Entwicklungshilfe zu tun – mit Haiti, einem Stück Afrika in der Karibik. Meine Frage: Warum findet das, was Sie hier so überzeugend vorgestellt haben, keine Resonanz in der Politik? Ist das Ihrer Meinung nach Dummheit? Ist es Uneinsichtigkeit? Oder ist es Abhängigkeit, d.h. Unfreiheit der Politik?

Kommentar: Ich habe Ihren Vortrag verfolgt, voll Energie. Aber ich habe mich gefragt: Wenn ein Mensch so redet – von welchem Planet kommt dieser Mensch eigentlich? Von unserer Welt bestimmt nicht. Mir kommt das Gefühl, dass Sie vom Jupiter kommen.

Sie sagen: Fossile Energie ist umweltschädlich und macht die Menschheit in Afrika und Asien immer ärmer. Es macht die Europäer und Amerikaner immer reicher. Genau da ist doch der Punkt. Für Europäer und Amerikaner ist fossile Energie richtig, weil die überlegen bleiben sollen und die anderen arm bleiben sollen. Das ist doch Sinn der Sache. Diese Kluft soll bleiben.

Die Sonnenenergie ist phantastisch billig. Billig ist gefährlich. Was teuer ist, ist richtig, aber schädlich. Sie sagen doch: Dieser Weg ist selbstmörderisch. Ja, akzeptiert, es ein kollektiver Selbstmord.
Die Energie wird später knapp. Aber, wenn Energie knapp wird, da werden doch diese Länder den afrikanischen Kontinent erobern, mit Gewalt. Diese Leute, die die Welt verschmutzen und so viel Energie verbrauchen, sind doch nicht dumm. Wenn das Erdöl zu Ende geht, dann erobern sie die andere Welt, unsere Welt. So ist das doch.

Ich schließe mich meinem Vorredner an: Warum reagieren die Politiker nicht? Sie wollen nicht ihre Position gegenüber den Afrikanern verlieren, indem sie diese Welt freigeben. Sie wollen dominant bleiben. Deshalb wollen sie die Energie verteidigen.

Das ist meine Position. Und was ist Ihre Position dabei? Es kommt mir so vor: Wenn ein Prophet so redet und keiner reagiert, keiner hört zu – dann muss er doch resigniert sein.

Kommentar: 1978 war ich auf der ersten Solarkonferenz hier in Deutschland. Ich komme aus Ägypten. Die Solarkocher sind damals schon da gewesen. Wir haben die Technologie. Was fehlt? Der Einsatz. Wir müssen gemeinsam ein Programm für die nächsten 5 Jahre für Afrika realisieren. Die Menschen dort brauchen zu Essen und Trinken und sauberes Wasser. Wir müssen mehr tun für Afrika.

Frage: Mein Name ist Diallo Boussouriou. Vielen Dank, Herr Scheer, für ihre überzeugenden Ausführungen. Die Ursachen haben Sie dargestellt. Jetzt kommt es zu der Lösung der Probleme – und das stellt das Problem Nr. 1 dar. Gerade in Afrika gibt es in den politischen Systemen sehr viele Bremser. Wie schaffen wir es, ohne eine Weltrevolution zu propagieren, diese Bremser beiseite zu schieben? Wie schaffen wir es, ein Programm zu entwickeln, um diese erneuerbare Energien zu unterstützen?

Hermann Scheer: Also, ich fange mal mit der letzten Frage an. Eine Lösung wird sicher nicht mit der bisherigen Art und Weise der staatliche Entwicklungshilfe möglich sein – auf die Organisation bezogen.

Ich war mal vor 4 oder 5 Jahren als Redner bei einem Weltbanksymposium in Amsterdam eingeladen, wo man über die Finanzierung erneuerbarer Energien gesprochen hat.
Da wurden Projekte von 9 staatlichen Entwicklungsorganisationen präsentiert, die sich um die Einführung erneuerbarer Energien in der 3. Welt verdient gemacht hatten.

Eine deutsche Organisation wurde vorgestellt, die ein System solarer Dorfversorgung mit Photovoltaik aufgebaut hatte. Da wurden schöne Bilder gezeigt, es war auch ein gutes Projekt, keine Frage. Aber dann habe ich gefragt – und ich wusste warum, ohne das Projekt im einzelnen zu kennen – wieviel sie denn installiert hätten?
„Ja, 6 KB Photovoltaik“. Das war schon für die Kleinbedürfnisse des Dorfes zugeschnitten. Ich habe gefragt: „Wieviel hat das Projekt gekostet?“ Dann hieß es: „2 Millionen Mark.“

Dann habe ich gesagt: „Das finde ich interessant. 6 KW Photovoltaik kosten vielleicht mit Transport 90 000 DM - sagen wir 100 000 DM. Was haben Sie mit 1,9 Millionen DM gemacht? Sie brauchen mir die Frage nicht beantworten: Pre-Physibility-Studien, Physibility-Studien, Evaluation-Studien....“

Das sind die 90%, die hier zurückfließen. Da wird eine Sache in einer Weise organisiert, die zur Verzwanzigfachung der Kosten führt. Das ist doch absurd. Das kann doch nicht der Weg sein. Das kann es nicht sein – ausgeschlossen!

Der Weg, den man da gehen muss, kann, meines Erachtens, nur über eine andere Art der Arbeit führen: Weniger bürokratisch und über Nichtregierungsorganisationen. Solche, die es im entsprechenden Land gibt und dort organisiert sind. Und der Weg muss über entsprechende Finanzierungshilfen führen. Der zinslose Kredit für Solarsysteme ist wichtig.

Solange die “Afrikanische Entwicklungsbank“ (AfDB) so tut, als gäbe es keine Sonnenenergie, muss auch sie herausgefordert werden.
Ich mache es demnächst. Ich fordere sie demnächst heraus! Wieso macht die eigentlich nichts? Die machen noch weniger als die Weltbank.

Die Weltbank hat inzwischen das Problem allgemein erkannt. Die würde die prinzipiellen Aussagen, die ich heute gemacht habe, wahrscheinlich bestätigen. Ihr Problem ist ein völlig anderes. Sie ist, wie alle anderen Entwicklungsbanken, entstanden in den 50er Jahren, als Großorganisation für Großinvestitionen. Große Kraftwerke, Straßen usw.

Sie haben gar nicht das Personal für Kleinkredite. Und sie rechnen mit ihren komischen Managementmethoden und modernen Kalkulationsmethoden. Sie rechnen dann die Personalkosten pro Kredit - und natürlich sind bei Mikrokrediten die Personalkosten der Bank hoch..

Ein Großkredit kann man vergeben und dann hat man gleich eine Summe. Um genauso viel Geld in Kleinkrediten zu vergeben, braucht natürlich viel mehr Personaleinsatz.

Wenn die Weltbank aber solche betriebswirtschaftliche Kriterien hat, stehen Sie sich selber im Wege. Sie können aus ihren Erkenntnissen keine Schlussfolgerung ziehen. Deswegen haben sie es trotz ihrer Erkenntnisse noch immer nicht geschafft, mehr für erneuerbare Energien zu geben. Sie geben ihre Kredite immer noch an Großstaukraftwerke, statt ein Mikrosystem einzuführen.

Dazu bräuchten sie Filialen. Und da es die nicht gibt, müssen das andere Organisationen machen, die mit ihnen zusammenarbeiten. Das müssen möglichst Organisationen vor Ort sein.

Wir haben vom „Weltrat für erneuerbare Energien“, dessen Vorsitzender ich bin, letztes Jahr eine Deklaration über „global proliberation for new energies“ auf unserem Weltforum verabschiedet, wo wir viele ganz naheliegende Schritte, auch politische Schritte aufgezeigt haben.

Schauen Sie es sich in ihren jeweiligen Ländern an, wie niedrig die Zölle für den Import von Öl sind! Und wie hoch sie sind für den Import von Photovoltaikanlagen! Dann wissen Sie Bescheid. Da sind teilweise 80% und mehr Zölle auf Solaranlagen. Und die müssen weg.
Das ist die eigene Leistung, die eine Regierung in der 3. Welt bringen muss. Solche Dinge muss man sich anschauen.

Eine der wichtigsten Initiativen, die ich seit 10 Jahren verfolge - die Sie auch unterstützen können – ist die Einrichtung einer „International Renewable Energy Agency“ (IRENA) als unabhängige Institution, als internationale Regierungsorganisation.

Es erklärt nämlich auch vieles, dass es für die herkömmlichen Energien internationale Regierungsorganisationen gibt, internationale Atomenergieorganisationen. Das gibt es aber nicht für die erneuerbaren Energien. Und deswegen muss so eine Agentur her – und diese Agentur hat die Hauptaufgabe in der Beratung von Regierungen, in der Beratung von regionalen Verwaltungen und in der Ausbildung von Menschen, indem sie die Ausbildungsinitiativen weltweit vorantreibt.

Wenn man viele, viele kleine Anlagen braucht, die wenige Große ersetzen, braucht man relativ viele Menschen. Wenn man in die solare Dorfversorgung geht, braucht man Handwerker. Es hat keinen Zweck, eine solare Dorfversorgung zu machen und dann steht wegen einem kleinen Kontakt, der ausfällt, alles still. Das würde ein Handwerker in 5 Minuten erkannt und repariert haben. Alle Autos in der Welt würden stillstehen wenn es keine Autowerkstätten gäbe. Nach einer gewissen Zeit würde alles stillstehen.

Wir entwickeln gerade vom „Weltrat für erneuerbare Energien“ das Konzept einer modularen Dorfversorgung. Je nachdem, um welche geographische Bedingung es sich handelt, kann man auch mit kleinen Windkraftanlagen kommen und nicht nur mit Photovoltaik. Dazu kommt die ganze Pflanzenölfrage.

Es sollten, nach konkreten Bedingungen, die verschiedenen Module erneuerbarer Energien zu variieren sein und nach praktischen Kriterien auszuwählen sein. Dann können wir sagen: Das hier kriegt einen Gütesiegel vom „Weltrat für erneuerbare Energien“. Ein Weltrat, der unabhängig ist. Es gibt den Gütesiegel als Orientierungshilfe, dass man diesen Weg dann zuverlässig gehen kann, solange es noch keine „Internationale Agentur für Erneuerbare Energien“ gibt.

Es gibt im Moment Forderungen, die im Regierungsprogramm aufgezählt sind. Aber es gibt immer noch Stimmen in der Regierung: „Lieber nicht. Was sagen die anderen?“

Es gibt Schwierigkeiten, den Beschluss umzusetzen. Was haben die Anderen für Befürchtungen? Sie meinen: „Wir können das nur machen, wenn alle mitmachen“.

Wenn man das bei einer internationalen Konferenz wie Johannesburg zur Diskussion stellt – wird es scheitern. Es wird scheitern, weil die OPEC-Länder dabei sind und es nach dem Konsens-Prinzip läuft. Da brauchen nur einige Staaten Nein zu sagen, und dann gibt es nichts.

Das kann man nicht nach dem Konsens-Prinzip machen. So wie sich Militärallianzen gebildet haben, müssen sich auch hier Allianzen bilden. Einzelne Staaten müssen sich zusammenschließen und die Schritte schneller machen, damit sie die Bewegung in Gang setzen und andere nachfolgen können.

Es müssen die ganzen Desinformationen widerlegt werden, die immer wieder transportiert werden. Auf diese Weise muss das vorangehen. Wenn man alles im Konsens macht, dann bewegt sich die Welt wie eine Schnecke und die Weltenergiekrise rast. So geht es nicht.

Es geht auch nicht nur mit der Beschwörung des Kyoto-Protokolls. Das Kyoto-Protokoll sagt: Bis 2012 2% Emissionsminderung bei den Industrieländern, die unterschrieben haben.

Das “United Nations Intergovernmental Panel on Climate Change” sagt: Bis 2050 brauchen wir mindestens 60% weltweit Emissionsminderung. Wer kann sich denn vorstellen, dass man 2012 auf diesem Weg weitermacht, wenn man vielleicht die 2% Minderung bei den Industrieländern erreicht hat?

Wie wir bis zum Jahr 2050 mit dieser Methode auf die 60% kommen kann, ist schleierhaft. Wir brauchen andere Strategien, die darüber hinaus gehen und sich nicht immer wieder lähmen lassen. Ich fordere Sie daher auf: Unterstützen Sie einhellig - vielleicht auch als Resolution dieser Konferenz - die Bundesregierung, dass sie auch umsetzt, was besprochen worden ist. Fordern Sie die rasche Gründung einer „International Renewable Energy Agency“.

Was die anderen Fragen anbetrifft, mit dem Jupiter usw.... Ich muss, glaube ich, Schluss machen.

Die Widerstände auf unserem Weg sind zahllos – aber der Verlierer dieser Entwicklung wird die fossile Energiewirtschaft sein. Denn es ist nicht möglich - aus physikalischen Gründen - von der Rolle des Anbieters von Erdöl, Erdgas, Kohle oder Uran zu wechseln in die Rolle des Anbieters von Wind oder Solarstrahlung. Weil die Solarstrahlung und der Wind nicht privatisierbar sind. Sie sind Allgemeingut der Menschheit.

Deswegen werden alle, die den Weg der erneuerbaren Energien gehen, davon profitieren. Der Verlierer wird die herkömmliche Energiewirtschaft sein. Das ist der Kern des ganzen Konflikts. Der Kerngrund der zahllosen Desinformation. Gepaart mit einer mentalen Barriere vieler.

Die haben sich 150 Jahr lang gedanklich an das herkömmliche Energiesystem gewöhnt und an die Vorstellung: Alles wird immer größer, alles wird immer komplexer, alles wird immer schneller usw. usw. Sie können sich nicht vorstellen, dass ein wirklicher menschlicher Fortschritt einmal in eine andere Richtung geht, nämlich: Nicht alles größer und komplexer, sondern dezentraler und naheliegender.
Danke.

www.solarenergie-fuer-afrika.org

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