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Iniative for an International Renewable Energy Agency

 










Der energethische Imperativ, Verlag Antje Kunstmann, 2010.

Energieautonomie
Energieautonomie. Eine neue Politik für Erneuerbare Energien. Verlag Antje Kunstmann, 2005.
Energy Autonomy.
The Economic, Social and Technological Case for Renewable Energy. Earthscan/James & James, Dezember 2006.

nachhaltigkeit.org.gifInterview erschienen auf nachhaltigkeit.org, Januar 2009

Bonn - Die erneuerbaren Energien haben eine eigene internationale Behörde. Am Montag gründeten 75 Länder in Bonn Irena. Doch nach Ansicht ihres Initianten Hermann Scheer gibt es keine zehn Länder in der Welt, die in diesem Bereich eine angemessene Politik betreiben. Mit der neuen Behörde soll sich das ändern. Offen sind noch der Sitz und der erste Generalsekretär der Behörde.

Steffen Klatt: Am Montag wurde in Bonn Irena gegründet, die internationale Agentur für erneuerbare Energien. Sind Sie jetzt am Ziel?

Herrmann Scheer: Was die Gründung der Agentur betrifft, ja.

Steffen Klatt: Aber?

Herrmann Scheer: Nichts geht von selbst, auch nicht etwas neu Gegründetes. Dann geht es darum, dafür zu sorgen, dass dies eine Organisation wird, die die ihr zugedachte Rolle auch voll ausfüllen kann.

Steffen Klatt: Was ist die Aufgabe der Agentur?

Herrmann Scheer: Das ist die generelle Beschleunigung der breiten Einführung erneuerbarer Energien mit all den politischen, technologischen und auf die Ausbildung bezogenen Voraussetzungen. Die Landkarte der Welt besteht bisher zu 95 Prozent aus Ländern, die trotz erkennbarer Notwendigkeit der erneuerbaren Energien bisher noch nicht einmal ein vorzeigbares Aktionsprogramm haben Denen muss die Agentur helfen, die erneuerbaren Energien auf den Weg zu bringen. Dabei müssen Vorbehalte beseitigt werden, die das Ergebnis einer jahrelangen Desinformation von Seiten der herkömmlichen Energiewirtschaft sind. Diese Vorbehalte stecken auch in Köpfen von Regierungen.

Steffen Klatt: Was ändert sich mit der Gründung der Agentur?

Herrmann Scheer: Es ist schon mal wichtig, dass eine internationale Agentur besteht, damit sie mit einer anderen Autorität auftreten könnte, als dies eine Nicht-Regierungsorganisation könnte. Sie muss das Spiel beenden, das seit Jahren von den zwei bestehenden internationalen Organisationen gespielt wird. Die Internationale Atomenergieagentur in Wien und die Internationale Energieagentur in Paris wurden immer wieder auf erneuerbare Energien angesprochen. Aber sie haben immer wieder Gelegenheit genutzt, gegenüber den Regierungen, der Wirtschaft und den Medien die erneuerbaren Energien kleinzureden oder gar zu denunzieren. Bei der Atomenergieagentur ist dies noch am ehesten nachvollziehbar. Denn sie haben ein klares Pro-Atom-Mandat. Nicht nachvollziehbar ist, dass die Regierungen jahrzehntelang eine solche Organisation finanziert haben, das andere nicht aber entstehen lassen wollten. Wir haben 19 Jahre über Irena verhandelt.

Steffen Klatt: Was kann Irena erreichen? Dort werden die gleichen Regierungen vertreten sein wie in den beiden bestehenden Organisationen.

Herrmann Scheer: Die neue Agentur wird ihre Eigendynamik entwickeln. Sie wird nicht jeden ihrer Schritte mit den Regierungen abstimmen. Sonst wäre sie gar nicht arbeitsfähig.

Steffen Klatt: Muss man also keinen Konsens finden zwischen den vielleicht hundert Ländern, die der Agentur angehören werden?

Herrmann Scheer: Nein, muss man nicht. Der Konsens ist, dass Irena existiert. Dann geht es um das Budget. Alles andere wird die Agentur entwickeln.

Steffen Klatt: Wieviel darf es denn sein?

Herrmann Scheer: Ich kann mir vorstellen, dass man auch mit mehreren Milliarden operieren kann. Aber das ist nicht realistisch. Die Mindestgrösse ist, dass sie etwa die Kapazität der Internationalen Energieagentur hat. Das wären ungefähr 200 Mitarbeiter. Die weitere Entwicklung hängt vom Zuwachs der Aufgaben und der Zahl der Mitgliedsländer ab. Wenn man als Ausbauziel die Grösse der Atomenergieagentur nimmt, dann würden wir bei einem Budget von 120 bis 130 Millionen Dollar ankommen.

Steffen Klatt: Ist es wichtig, wo die Agentur ihren Sitz hat?

Herrmann Scheer: Nein. Es ist wichtig, dass sie einen Sitz hat, wo die Voraussetzungen für einen leistungsfähigen Betrieb gegeben sind. Es gibt jetzt schon fünf Bewerber. Österreich hat sich mit Wien beworben, Deutschland hat sich mit Bonn beworben, Dänemark wird sich mit Kopenhagen bewerben. Spanien wird sich für einen Sitz bewerben. Abu Dhabi hat sich beworben. Es können noch mehr werden. Die Entscheidung fällt im Juni.

Steffen Klatt: Wollen Sie der erste Generaldirektor werden?

Herrmann Scheer: Dazu äussere ich mich nicht. Ich halte mich als Initiator der Agentur nicht für ungeeignet. Aber hier geht es nicht um den Ehrgeiz eines Einzelnen, sondern um das Projekt. Man kann sich auch nicht selbst bewerben. Jeder Vorschlag für den Posten des Generalsekretärs muss von einer Regierung kommen. Das muss aber nicht die Regierung des eigenen Landes sein. Auch wenn viele erwarten, dass ich der Generalsekretär werde: Das hängt ganz stark davon ab, wohin der Sitz kommt. Sitz und Vorsitz sind selten in einem Land.

Steffen Klatt: Der neue amerikanische Präsident hat versprochen, Milliarden in die erneuerbaren Energien zu stecken. Anderswo gibt es ähnliche Versprechen. Wird das Wirklichkeit oder sind es leere Worte?

Herrmann Scheer: In Amerika sind das keine leeren Worte, auch nicht beim deutschen Konjunkturprogramm oder im Emirat Abu Dhabi. Sobald die Summen einmal konkret festgelegt worden sind, sind es auch keine leeren Worte mehr. Aber es gibt jede Menge Lippenbekenntnisse, denen keine Taten folgen. Keine zehn Länder auf der Welt haben bisher Programme zur Mobilisierung erneuerbarer Energien, die den Namen verdienen.

Steffen Klatt: Können die erneuerbaren Energien den Energiebedarf der Welt decken?

Herrmann Scheer: Sicher können sie das. Wenn ein Energieexperte das bestreitet, ist er entweder ahnungslos oder er heuchelt.

Steffen Klatt: In welchem Mix können die erneuerbaren Energien den Bedarf decken?

Herrmann Scheer: Das hängt von den jeweiligen geografischen Verhältnissen ab.

Steffen Klatt: Nehmen wir Ihr Land, Deutschland.

Herrmann Scheer: Ein Land wie Deutschland hat automatisch einen andern Mix als etwa die Schweiz. Die Schweiz hat, was die Stromproduktion betrifft, ganz andere Wasserkraftpotentiale hat. Deutschland braucht einen Mix. Ich gehe davon aus, dass die Windkraft die grösste Rolle spielen wird.

Steffen Klatt: Obwohl der Wind vor allem im Norden bläst und der Verbrauch im Süden konzentriert ist?

Herrmann Scheer: Das stimmt ja nicht. Das ist nur die gegenwärtige Situation, weil die drei Südländer, Bayern, Baden-Württemberg und Hessen, willkürliche Verhinderungsplanung machen und keine Standorte entstehen lassen. Das ist nackte Willkür. Es stimmt nicht, dass es im Binnenland keinen Wind hat. Man muss nur die Narbenhöhe entsprechend hoch setzen, dann ist das Problem geklärt. Wenn das Binnenland Sachsen-Anhalt schon fast 40 Prozent seines Stroms aus Windkraft herstellt, Bayern aber nur 0,5 Prozent und Baden-Württemberg 0,46 Prozent, dann lässt sich das nicht damit begründen, dass es zu wenig Wind gibt.

Steffen Klatt: Wo sind die Pionierunternehmen geblieben, die vor zwei oder sogar drei Jahrzehnten die modernen erneuerbaren Energien angestossen haben?

Herrmann Scheer: Die bestehen grossenteils noch, wenn auch nicht mehr alle. Aber das ist der normale Lauf der Dinge.

Steffen Klatt: Sehen Sie das auch mit einem weinenden Auge?

Herrmann Scheer: Das tut einem natürlich immer ein bisschen leid. Es gibt den alten Spruch: Diejenigen, die ihrer Zeit voraus sind, müssen in unbequemen Unterkünften auf die andern warten. Oder in Abwandlung des Satzes von Gorbatschow: Wer zu früh kommt, den bestraft das Leben.

Steffen Klatt: Die erneuerbaren Energien werden zu einer globalen Industrie, in der auch viele grosse Akteure aus Ländern mitspielen, die lange nichts damit am Hut hatten. Lassen sich die Pioniere, lassen sich die deutschen Unternehmen insgesamt die Butter vom Brot nehmen?

Herrmann Scheer: Erstens machen auch einige Pioniere Geld. Die Deutschen haben dadurch, dass ihr Markt als erster entwickelt wurde, zwei Pfunde, die andere nicht haben: viele Leute, die relativ gut ausgebildet sind. Bei den andern dagegen wird der Mangel an ausgebildeten Leuten immer mehr zu einem Problem. Das andere Pfund ist die industrielle Erfahrung, die andere so nicht haben. Die Deutschen haben ihre Kinderkrankheiten schon hinter sich, die andere noch vor sich haben. Sie haben sehr gute Karten, im Geschäft mitzumischen.

Steffen Klatt führte das Interview während des World Future Energy Summit im Januar in Abu Dhabi.

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