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Iniative for an International Renewable Energy Agency

 










Der energethische Imperativ, Verlag Antje Kunstmann, 2010.

Energieautonomie
Energieautonomie. Eine neue Politik für Erneuerbare Energien. Verlag Antje Kunstmann, 2005.
Energy Autonomy.
The Economic, Social and Technological Case for Renewable Energy. Earthscan/James & James, Dezember 2006.

standard_logo.jpgInterview veröffentlich in der Standard am 14. April 2008

Hermann Scheer rechnet im STANDARD-Interview mit einer Verbilligung erneuerbarer Energieträger. Wie die Energiekonzerne ihr Rückzugsgefecht gestalten, erfragte Johanna Ruzicka.

STANDARD: Sie plädieren für eine noch stärkere Forcierung alternativer Energien. Kommt das nicht teuer?

Scheer: Im Gegenteil. Denn die Ausgangslage ist ja folgende: Die Erschöpfung der fossilen Energiequellen tritt schneller ein als befürchtet. In den vergangenen fünfzehn Jahren ist der Weltenergieverbrauch so stark gestiegen wie nie zuvor, nämlich um 50 Prozent. Wir nähern uns schneller dem Ende des fossilen Energiesystems, als wir glaubten. Und daraus folgt wiederum, dass herkömmliche Energieträger nur teurer und erneuerbare nur billiger werden können.

STANDARD: Auch Kohle? Die wird es noch mehr als hundert Jahre geben.

Scheer: Auch Kohle. Das ist unausweichlich und kündigt sich auch schon an. Wer nur mit leichten Preissteigerungen kalkuliert, wird sich irren. Vor allem, weil die entsprechenden Kraftwerksanlagen ja für 30, 40 Jahre konzeptioniert sind. Alle neuen großen Investments in fossile Energieträger drohen zu "stranded costs" zu werden. Daraus folgt, dass der Umbau des derzeitigen Energiesystems jetzt begonnen werden muss, selbst wenn man den Klimaaspekt, also die Tatsache, dass fossile Energienutzung die Erdatmosphäre erwärmt, außen vor lässt.

STANDARD: Gerade wegen des Klimawandels wird Atomkraft forciert.

Scheer: Ja, weil bei der Atomstromproduktion keine Treibhausgase anfallen. Aber wenn man alle Prozesse einbezieht - Uranschürfung, Transport, Aufbereitung, Bau des Kraftwerks -, sieht das natürlich ganz anders aus. Wenn sich die Hoffnungen des nachfossilen Zeitalters auf Atomkraft stützen, ist dies ein schrecklicher Irrtum. Ganz ähnlich übrigens, wie CO2-Sequestrierung keine Probleme löst. Diese Endlagerung von Treibhausgasen (in der Erde; Anm.) ist ein Luftschloss, obwohl mittlerweile viele darauf schwören. Erstens braucht man 25 bis 30 Prozent mehr Energie; das dürfte jegliche Energieeffizienzbemühungen über Bord werfen. Und zweitens: Wenn das Zeug einmal vergraben ist, darf es auch nicht mehr heraus, nie mehr. Das heißt, hier wird eine Problemlösung forciert, die eine ähnliche Situation heraufbeschwört wie bei der Endlagerung von Atommüll.

STANDARD: Trotzdem scheint es, dass wir für einen Umbau der Energiesysteme mehr Zeit brauchen, weil sonst die Gefahr besteht, dass falsche Grundsatzentscheidungen getroffen werden, wie eventuell jetzt, beim Agrarsprit. Sehen Sie das anders?

Scheer: Diese These ist nicht haltbar. Erstens ist das natürliche Potenzial der Erneuerbaren - im wesentlichen die Sonne mit ihren Nebenprodukten Wind, Wasser, Biomasse, Wellen - pro Tag 15.000-mal höher als das, was die Welt tatsächlich verbraucht. Die Technologien, um diese Energie zu ernten, sind teilweise gut ausgereift; teilweise müssen wir sie entwickeln. Das Potenzial der Erneuerbaren ist heute so hoch wie in dreißig oder dreihundert Jahren.

STANDARD: Aufgrund der Vielfalt der erneuerbaren Energieträger benötigen diese dezentrale Strukturen, etwa bei der Verteilung. Das ist natürlich grundsätzlich eine Chance, aber in der Realität lassen sich die verschiedenen Ansätze mit Erneuerbaren nicht in bestehende Energiesysteme einbauen.

Scheer: Indem sich die Energieunternehmen auf die Bereitstellung herkömmlicher Energieträger fixiert haben und die Weiterführung dieser Systeme nicht mehr im gesellschaftlichen Interesse liegt, führen die Konzerne ein Rückzugsgefecht. Ohne es zuzugeben, natürlich. Denn sie verwalten die falschen Energieträger. Politiok und Gesellschaft gehen von einem Irrtum aus, der elementar ist: zu denken, dass die heutigen Träger der Energiewirtschaft die geeigneten Repräsentanten dafür sind, den Wechsel herbeizuführen. Die Energiekonzerne sind am allerwenigsten dafür geeignet. Nicht weil sie eine Verschwörung untereinander haben - das gibt es auch -, aber weil sie selbst eines gemeinsam befürchten: den Einbruch ihrer Strukturen. Und deshalb tun sie alles, um nachhaltige, dezentrale Energiesysteme zu hintertreiben.

STANDARD: Aber die Konzerne haben doch einen jahrzehntelangen Umgang mit Wasserkraft? Wasser ist auch ein erneuerbarer Energieträger.

Scheer: Großwasserkraftwerke lassen sich in die zentralisierte Struktur der Energieversorgung integrieren. Bei allen anderen Energiealternativen ist das nicht so. Bei diesen ersetzen viele Anlagen zusammen wenige große. Daraus ergibt sich: Wenn die Energiewirtschaft heute meint, die Erneuerbaren rechnen sich nicht, meint sie: Es rechnet sich nicht für sie selbst. Aber die Frage muss sein: Rechnet es sich volkswirtschaftlich, sozial und ökologisch? Wir haben kein Investorenproblem. Wir haben ein Problem der politischen Rahmenbedingungen.

www.derstandard.at

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