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Iniative for an International Renewable Energy Agency

 










Der energethische Imperativ, Verlag Antje Kunstmann, 2010.

Energieautonomie
Energieautonomie. Eine neue Politik für Erneuerbare Energien. Verlag Antje Kunstmann, 2005.
Energy Autonomy.
The Economic, Social and Technological Case for Renewable Energy. Earthscan/James & James, Dezember 2006.

Interview erschienen in Luxemburger Wort, 14. Juni 2007

(mas) - Einen renommierten Gastredner hatte Eurosolar Lëtzebuerg für die Fünfjahresfeier engagieren können: Dr. Hermann Scheer, Mitbegründer und Vorsitzender von Eurosolar. Im Vorfeld der gut besuchten Veranstaltung in der Chambre des métiers, sprach Scheer mit dem "Wort" über Chancen und Perspektiven der erneuerbaren Energien.

Mit gebremster Euphorie begegnet Dr. Hermann Scheer den Ergebnissen des G-8-Treffens . "Dass sich die Protagonisten in Heiligendamm darauf verständigt haben, ernsthaft in Erwägung zu ziehen, die CO2-Emissionen bis 2050 um die Hälfte zu reduzieren , bedeutet noch lange nicht, dass man sich habe einigen können", fällt die Reaktion des Gewinners des alternativen Nobelpreises (1999) verhalten aus.

Vor allem dürfe die Rolle der Vereinigten Staaten nicht überbewertet werden, erinnert Scheer daran, dass Washington unter Clinton schon 1993 den Vorstoß gemacht hatte, das Kohlendioxidvolumen bis 2010 weltweit um die Hälfte abzubauen . "Nun sind wir bei 2050 angekommen."

Im Übrigen sei man noch weit von einem verbindlichen Vertragswerk entfernt , fügt der engagierte Förderer der erneuerbaren Energien hinzu. Er selbst gibt zu, ein gespaltenes Verhältnis zu Abkommen wie dem Kioto-Protokoll zu haben . Verträge seien schließlich immer das Ergebnis von Verhandlungen und bei Verhandlungen müsse man Kompromisse eingehen, erläutert Hermann Scheer seinen Standpunkt. "Nach zehn Jahren müssen wir eingestehen, dass das Kioto -Ergebnis recht mager ist."

Für Scheer geht Kioto von einer falschen Prämisse aus. "Die CO2-Reduzierung soll via Lastenverteilung unter den einzelnen Staaten erreicht werden. Also werden der Umstieg auf erneuerbare Energien und die Steigerung der Energieeffizienz, die zur Kohlendioxidsenkung beitragen, als eine Last empfunden." An diese falsche Prämisse gekoppelt sei ein falsches Instrument, der Emissionshandel. Der Handel mit CO2-Zertifikaten sei nichts weiter als ein Minimalkompromiss, bei dem es sich aus wirtschaftlicher Warte nicht lohne, sich über die festgelegte Obergrenze hinaus anzustrengen , so der Eurosolar-Präsident. "Wir haben die Erfahrung doch in Deutschland gemacht . Während das Emissionsgesetz die CO2-Bilanz quasi nicht verbessert hat, hat die Gesetzgebung über die erneuerbaren Energien zu einer geschätzten Einsparung von 60 Millionen Tonnen Kohlendioxid geführt", weiß der SPD-Politiker Scheer zu berichten.

Und welche Alternative schlägt er vor? "Lasst uns die erneuerbaren Energien als Chance wahrnehmen" plädiert er dafür, den Weg der alternativen Energieversorgung ohne Wenn und Aber einzuschlagen und zu beschreiten. Volkswirtschaftlich könne jedes Land dabei nur gewinnen, ist sich Scheer sicher. "Der Schutz der Umwelt und der Gesundheit sowie die Steigerung der heimischen Wertschöpfung sind doch willkommene Begleiterscheinungen."

Gleichsam räumt er ein, dass einzelne Wirtschaftszweige auf diesem Weg Probleme haben könnten, um Schritt zu halten. "Hier ist dann die politische Kunst gefordert , um die nötigen Anreize zu schaffen." In die Tat umgesetzt bedeutet dies für Hermann Scheer, dass das Verursacherprinzip im Umweltschutz verwirklicht wird. In seiner gemäßigten Form durch die finanzielle Förderung der erneuerbaren Energien. Oder in seiner radikalen Form durch die steuerliche Belastung der herkömmlichen Ressourcen. "Diese kommt die Bürger weitaus teurer zu stehen", stellt Scheer klar. "Aber die Energiewirtschaft darf sich keinen Freibrief erwarten."

Der engagierte Energieexperte stellt auch klar, dass jedes Land der Erde den Weg der erneuerbaren Energien beschreiten kann: ein großer Staat oder ein kleiner Staat, ein Industrieland oder ein Entwicklungsland. Voraussetzung für einen erfolgreichen Parcours sei, dass sich jedes Land die Instrumente gibt, mit denen es das gesamte Potenzial der erneuerbaren Energien ausschöpfen könne. Mit Blick auf Kioto und den jüngsten EU-Gipfel meint Scheer denn auch, dass nicht Zeittafeln und Prozentpunkte ausschlaggebend seien, sondern die Mittel. "Denn ohne Mittel sind prozentuale Vorgaben nichts wert", betont Scheer. Und die zeitlichen Ziele würden letztlich dem Motto "global reden, national verschieben" gehorchen.

Wie aber sollen Drittweltländer vom Schwarzen Kontinent oder die so genannten Schwellenländer wie Brasilien, China, Indien oder Südafrika davon überzeugt werden, den Weg der erneuerbaren Energien einzuschlagen? Durch Aufklärungs- und Überzeugungsarbeit sowie den Transfer der erforderlichen Technologien sollen auch diese Länder ihre Chance bekommen. Scheer schwebt dabei die Schaffung einer Internationalen Agentur für erneuerbare Energien vor - als Pendant zur Atomenergieagentur und zur Internationalen Energieagentur. Er ist davon überzeugt, dass diese Agentur, die von einer "Koalition der Willigen" geschaffen werden soll, eine Erfolgsgeschichte wird. "Sie würde von zahllosen Ländern, die bis dato in ihrer Energiepolitik in die Irre geführt wurden, beansprucht", gibt sich Scheer optimistisch. Außerdem habe das jahrzehntelange Ignorieren der erneuerbaren Energien dazu geführt, dass heute 95 Prozent der Staaten nicht vorbereitet seien. "Dabei wird kein Land der Erde mehr ohne erneuerbare Energien auskommen."