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Iniative for an International Renewable Energy Agency

 










Der energethische Imperativ, Verlag Antje Kunstmann, 2010.

Energieautonomie
Energieautonomie. Eine neue Politik für Erneuerbare Energien. Verlag Antje Kunstmann, 2005.
Energy Autonomy.
The Economic, Social and Technological Case for Renewable Energy. Earthscan/James & James, Dezember 2006.

Interview erschienen in Stuttgarter Zeitung, 25. Oktober 2006

Scheer rügt Bahn-Börsengang

Gegen den Börsengang der Bahn regt sich Widerstand. Fundamentale Kritik äußert der Umweltpolitiker Hermann Scheer, SPD-Vorstandsmitglied und ausgezeichnet mit dem Alternativen Nobelpreis, im Gespräch mit Armin Käfer. Einer „überwältigenden Mehrheit“ seiner Kollegen aus den Koalitionsfraktionen sei wegen der Bahn-Pläne "mulmig zu Mute".

Herr Scheer, was läuft schief beim Börsengang der Deutschen Bahn AG?

Meines Erachtens hat die bedingungslose Fixierung der Unternehmenspolitik des Bahn-Vorstands auf den Börsengang schon erheblich zur Verschlechterung der Dienstleistungsqualität der Bahn beigetragen. Das Schienennetz wird offenkundig vernachlässigt. Die Bahn erfüllt ihren originären Dienstleistungsauftrag nicht mehr befriedigend.

Befürworter des Börsengangs sagen, dass die Bahn, gerade weil sie auf dieses Ziel hinarbeitet, ihr Image als verschlafene Behördenbahn ablegen konnte.

Man muss unterscheiden: es gibt zwei Arten von Privatisierung. Der eine Schritt ist schon in den neunziger Jahren erfolgt, als die Bahn eine Aktiengesellschaft mit dem Bund als Alleinaktionär wurde. Natürlich kann sie damit wesentlich flexibler arbeiten als ein öffentlicher Regiebetrieb, quasi eine Behörde. Das bestreitet niemand. Kritische Fragen wirft allerdings das Vorhaben auf, Bahn-Aktien an der Börse zu verkaufen. Wir hätten es dann mit zwei verschiedenen Unternehmensphilosophien zu tun unter dem Dach desselben Unternehmens. Die eine müsste sich orientieren an den berechtigten Renditeinteressen der privaten Anleger. Die andere würde bestimmt durch den öffentlichen Dienstleistungsauftrag, die Pflicht, die Infrastruktur des Schienennetzes zu sichern. Eine solche Infrastruktur kann nicht durchgängig renditeorientiert bewirtschaftet werden. Beides passt nicht zusammen.

Sie sind generell gegen den Börsengang?

Der Kernpunkt meiner Kritik ist: der Gang an die Börse wäre wie eine Rutschbahn, welche die Bahn hin zu einem rein profitorientierten Unternehmen gleiten ließe. Damit wäre ihr Dienstleistungsauftrag und die Sicherung der Infrastruktur gefährdet. Keine flächendeckende Infrastruktur ist aktuell renditeträchtig, das kann gar nicht sein. Wer eine Infrastruktur bewirtschaftet, kann nicht nur das Ziel der Gewinnmaximierung im Sinn haben. Aber es wurden doch unterschiedlichste Modelle ausgetüftelt, um einen Ausweg aus diesem Dilemma zu finden. Genau diese Modelle zeigen aber, dass es ein Dilemma ist, dem man nicht wirklich entgehen kann. Alle diese Modelle versuchen, gemeinwohlschädliche Folgen zu verhindern.

Warum will man dann aber überhaupt den Börsengang, wenn doch erkennbar ist: er birgt so viele Probleme, für die komplizierte Auffangregelungen konstruiert werden müssten, die aber letzten Endes doch nicht befriedigend funktionieren können?

Die Renditeinteressen der potenziellen Investoren und das öffentliche Interesse an einem funktionierenden Schienennetz lassen sich nicht miteinander versöhnen? Ein privater Anteilseigner hat das Recht auf höchstmögliche Rendite. Nach dem Aktienrecht würde sich der Bahn-Vorstand sogar rechtswidrig verhalten, wenn er dieses Ziel nicht konsequent verfolgt – obwohl er wissen muss, dass es unter Umständen langfristig nicht im Unternehmensinteresse liegt. Öffentliche Ansprüche und die Renditeerwartungen der Investoren lassen sich nicht durchgängig miteinander vereinbaren.

Ihre Fundamentalkritik an einem Börsengang - ist das nur die Privatmeinung des Abgeordneten Scheer?

Ich glaube, dass einer überwältigenden Mehrheit meiner Kollegen bei dieser Vorstellung mulmig zu Mute ist. Darüber wurde bisher nur nie offen diskutiert. Die Prämisse „Die Bahn soll an die Börse“ ist uns vorgesetzt worden, obwohl sie durch keinen Bundestagsbeschluss und kein Parteitagsvotum - weder bei uns noch bei der Union - gedeckt ist. Der Börsengang ist das Projekt des Bahn-Chefs Mehdorn, gestützt auf den früheren Kanzler Schröder und dessen Wirtschaftsminister. Es wurde immer nur über das Wie eines Börsengangs diskutiert, aber niemals über das Ob. Die Frage des Ob sollte jedoch sinnvollerweise vor dem Wie geklärt werden.

Aber der Börsengang steht doch als Ziel auch im Koalitionsvertrag der jetzigen Regierung.

Interessant ist, dass die Frage des Ob in den Koalitionsverhandlungen nicht entschieden war. Nach meinen Informationen hat der damalige bayerische Wirtschaftsminister Wiesheu dafür gesorgt, dass im Koalitionsvertrag nur noch die Frage des Wie offen blieb. Wie wir wissen, trat er nach Abschluss der Koalitionsverhandlungen von seinem Amt zurück und wurde Mitglied des Bahn-Vorstands.

Agiert der sozialdemokratische Verkehrsminister Tiefensee nur als Erfüllungsgehilfe?

Er fühlt sich verpflichtet, diese strittige Passage des Koalitionsvertrags umzusetzen. Inzwischen ist klar, dass die Frage des Ob wieder auf die Tagesordnung kommen muss. Es gibt eine uraltes Gesetz des Handelns: Wer eine Prämisse, auch wenn sie falsch ist, mal akzeptiert, muss ihr dann Genüge tun - und wird notfalls ihr Opfer.

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