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Iniative for an International Renewable Energy Agency

 










Der energethische Imperativ, Verlag Antje Kunstmann, 2010.

Energieautonomie
Energieautonomie. Eine neue Politik für Erneuerbare Energien. Verlag Antje Kunstmann, 2005.
Energy Autonomy.
The Economic, Social and Technological Case for Renewable Energy. Earthscan/James & James, Dezember 2006.

Interview erschienen in Schrot&Korn, September 2007 

Sonne, Wind und Wasser: Für Hermann Scheer, SPD-Energieexperte und „Solarpapst“, gibt es nur einen Ausweg aus der Energiekrise – den vollständigen Umstieg auf erneuerbare Energien. Interview: Martina Petersen, Fotos: Christian Thomas. Hermann Scheer setzt sich seit vielen Jahren für alternative Energien ein. 1999 erhielt er für sein Engagement den Alternativen Nobelpreis.

Herr Scheer, in der Öko-Bewegung kursiert ein Witz: Treffen sich zwei Planeten im Weltall. Stöhnt der eine: „Mir geht es schlecht, ich habe Homo sapiens.“ Tröstet ihn der andere: „Sei beruhigt. Das erledigt sich ganz schnell von selbst.“

Den kenne ich. Ich kann über solche Witze schon noch lachen.

Ist es nicht frustrierend, dass laut Umfrage drei Viertel der Deutschen mit erneuerbarer Energie sympathisieren, sich aber nur eine Minderheit für eine Energiewende einsetzt?

Wir sehen ja die Welt durch die Bilder, die wir kennen. Die Bilder der Energieversorgung sind: große Kraftwerke, große Schornsteine, großes Leitungsnetz und dann am Ende die Steckdose. Die Leute können sich nicht vorstellen, dass die vergleichsweise kleinen Fotovoltaik- oder Windkraftanlagen diese großen Anlagen ersetzen können.

Es prägt sich vor allem ein, dass alternative Energieformen subventioniert werden: Auch im Strompreis ist ein Aufschlag enthalten.

Vergleichen wir mal Energieabfälle, also Emissionen, mit Hausmüll: Pro Person fallen im Jahr 1,5 Tonnen Hausmüll und im Schnitt zehn Tonnen Energiemüll an. Beim Hausmüll ist es selbstverständlich, dass man ihn nicht auf die Straße schmeißen darf. Es wird von allen akzeptiert, dass man Müll abholbereit macht und dafür eine Gebühr bezahlt. Aber den Energiemüll darf man sinnbildlich immer noch vor die Tür schmeißen – und es gilt sogar als Zumutung, dies zu untersagen.

Können wir es leisten, die Atomkraftwerke planmäßig abzuschalten? Die Atom-Lobby hat vorgerechnet, dass das Potenzial der erneuerbaren Energie nicht ausreicht.

Das ist nicht nur in der Sache falsch, es ist auch total verlogen. In Deutschland haben wir 20 000 Megawatt Windkraft-Anlagen. Mit Abstand am wenigsten Anlagen stehen in Bayern, Baden-Württemberg und Hessen, also in von der CDU regierten Bundesländern. Deren Landesregierungen haben durch eine restriktive Genehmigungspraxis den Ausbau der Windkraftanlagen aus politisch ideologischen Gründen blockiert. Sonst hätten wir mittlerweile längst eine Leistung von 30 000 Megawatt. Aber diese Regierungen wollen selbst den Sachzwang dafür schaffen, dass die Atomkraftwerke weiterlaufen müssen.

Die Verfechter der Atomkraft haben auch Argumente pro Klimaschutz.

Etwas, das für 100 000 Jahre Atommüll hinterlässt, ist indiskutabel. Selbst wenn es nichts kosten würde. Es ist einfach vermessen. Es gibt nichts Fehlerfreies, das ist in keiner menschlichen Gesellschaft möglich. Aber wenn ein möglicher Fehler irreversible Konsequenzen hätte, dann packt man eine Sache nicht an.

Einige Argumente gegen erneuerbare Energien, scheinen auf der Hand zu liegen: Was machen wir, wenn der Wind nicht weht? Wenn die Sonne nicht scheint?

Was macht man, wenn ein Atomkraftwerk ausfällt? Die fallen ja ständig aus, oft auch nur für Stunden. Dann muss auf einen Schlag eine riesige Produktionsmenge ersetzt werden. Zu Ihrer Frage: Speichermöglichkeiten gibt es sehr viele. Richtig ist, dass man Primärenergien wie Wind und Solar nicht vor der Umwandlung in Strom speichern kann. Daher muss man es hinterher tun. Zum Beispiel in Pumpspeicherwerken, die es seit über 100 Jahren gibt und von denen man dann eben mehrere braucht. In Niedersachsen, in der Nähe des Atomkraftwerks Esenshamm, gibt es außerdem seit 1978 ein Erddruckluftspeicherkraftwerk.

Was ist das?

Ein Speicher, der den erzeugten Strom des Kraftwerks speichert, in dem ein Teil des Stroms in Druckluft umgewandelt wird. Ich habe mal bei einer Diskussion mit einem Herrn aus einem Vorstand eines großen Atomkonzerns zusammengesessen, der meinte, man könne erneuerbare Energien nicht speichern. Ich habe nur gesagt: „Das macht ihr doch selber! Denn der Druckluft ist es völlig egal, ob sie vorher Wind- oder Atomstrom war.“ Er musste das Argument in diesem Augenblick zurückziehen, hat es aber im nächsten Interview wieder angebracht. Diese Menschen wollen die Leute offenbar systematisch verdummen.

Es heißt auch, dass Solarenergie nicht effizient sei, weil Fotovoltaik-Zellen erst nach drei bis fünf Jahren mehr Energie erzeugen, als in ihre Produktion gesteckt worden ist. Lassen Sie den Einwand gelten?

Nein, denn so gedacht kommt eine herkömmliche Anlage nie auf eine positive Bilanz. Nehmen wir Uran: Um es nutzbar zu machen, brauchen wir einen riesigen Einsatz von Energie: Da ist der Uran-Bergbau, dann wird aus einem Kilo Uranerz ein Gramm Uran gewonnen. Dazu muss eine Menge Wasser eingesetzt werden. Dann kommt die Aufarbeitung, und es muss über weite Strecken transportiert werden. Und am Ende steht noch die Entsorgung. Wenn man diese Komponenten beim Atomstrom nicht in die Rechnung mit einbezieht, hat ein Vergleich von Kosten und Nutzen nichts mehr mit Wissenschaft zu tun. Dann werden lediglich Argumentationstricks benutzt.

Wenn wir demnach mit einer Scheindebatte abgespeist werden: Was ist der Kern des Problems?

Will man die Energiefrage verstehen, muss man technosoziologisch denken. Wenn jetzt eine neue Öl-Pipeline für fünf Milliarden Euro gebaut worden ist, dann würde sie zu einer Investitionsruine, wenn sie nicht 20 Jahre lang Durchlauf hätte. Ein neues Großkraftwerk würde zur Investitionsruine, wenn es nicht 30 Jahre ausgelastet würde. Die Unternehmen sind Gefangene ihres eigenen Systems. Ich werfe ihnen eigentlich nur eines vor: Dass sie das nicht zugeben.

Es heißt, durch einen Energiewechsel entstünde ein volkswirtschaftlicher Schaden.

Der volkswirtschaftliche Schaden wird mit einem Schaden für bestimmte Konzerne verwechselt. Die Gesellschaft ist in den jetzigen Energiestrukturen quasi gefangen, das ist der Konflikt und nichts anderes. Alles andere sind Ausreden und Desinformationen, die vom eigentlichen Kern ablenken sollen. Es ist zum Beispiel ein völlig absurdes Argument, dass Sonne und der Wind als Energiequelle unsicher seien. Sind Gaslieferungen aus dem Kaukasus oder Öl aus Libyen etwa sicher?

Was wäre Ihr einfacher Ratschlag an die Regierung in Sachen Energiewende?

Sie soll mit dem Rumeiern aufhören! Wie kann man in einer Zeit, in der Gletscher und Polkappen schmelzen, aus Gründen des Landschaftsschutzes Windkraft ablehnen? Worauf will man noch warten? Suchen wir noch das letzte Haar in der Suppe auf der Suche nach dem Perfekten, während das Unperfekte weiterläuft?

Jeder kann schon heute den Stromanbieter wechseln und erneuerbare Energie beziehen. Ein kleiner Schritt als guter Anfang?

Ja, wenn Sie einen Anbieter auswählen, der zertifiziert ist. Ein Öko-Stromanbieter ist nur dann ein echter, wenn er das Geld, das er verdient, in Neuinvestitionen für erneuerbare Energien steckt. Ein normales Stromunternehmen hat immer noch ein paar alte Wasserkraftanlagen. Wenn es diesen Strom – also längst abgeschriebene Investitionen – als teuren Öko-Strom separat verkauft, dann verdient es noch mal extra. Es beutet damit den guten Willen der Menschen aus. So wird nichts erreicht. Man muss also genau hingucken.

Für das Voranschreiten der Engergiewende haben Sie den Begriff „aktive Evolution“ geprägt. Was heißt das?

Damit meine ich eine Evolution, der man quasi auf die Sprünge helfen kann. Das Solarzeitalter wird kommen, das Entscheidende für mich ist aber: Wie lange braucht man dazu? Wie viele Katastrophen müssen noch passieren? Wir dürfen diese Entwicklung nicht sich selbst überlassen, sondern müssen sie gezielt beschleunigen. Und das ist nur durch eine aktivierte Gesellschaft möglich.

Hermann Scheer

Hermann Scheer wurde 1944 in Wehrheim im Taunus geboren. Während der Offiziersausbildung bei der Bundeswehr wurde er Atomwaffengegner und trat in die SPD ein. Der Doktor der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften ist seit 1980 Mitglied des Deutschen Bundestages. Mit seinem Engagement für ein Solares Regierungsviertel in Berlin (1992), dem 100000-Dächer-Programm (1994) und dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (2000) setzte er Meilensteine für eine Energiewende in Deutschland. Hermann Scheer ist Präsident von Eurosolar und Vorsitzender des Weltrates für erneuerbare Energien. 1999 erhielt er den Alternativen Nobelpreis.

Film zum Buch

Hermann Scheers Buch „Energieautonomie“ dient zurzeit als Grundlage für einen Film, der 2008 ins Kino kommen soll. Um unabhängig zu bleiben, soll der Film gemeinschaftlich finanziert werden. Beteiligen können sich Firmen und Privatpersonen. www.energyautonomy.org

Buchtipp

Scheer, Hermann: Energieautonomie – Für eine Politik der erneuerbaren Energie, Kunstmann 2005, 19,90 Euro, ISBN 978-3888973901

Interview  Interview "Das Solarzeitalter wird kommen" (pdf) 

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