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Memorandum, 09. März 2002 

In der Klausurtagung des SPD-Vorstands am 13./14. Januar 2002 habe ich mit meiner Wortmeldung die Frage aufgeworfen, wie direkt wirksame wertschöpfende und beschäftigungswirksame Initiativen gestartet werden könnten, ohne gleichzeitig das Ziel der Sanierung öffentlicher Finanzen zu gefährden. In diesem Zusammenhang habe ich den Gedanken geäußert, dafür Währungsreserven der Deutschen Bundesbank für volkswirtschaftliche Perspektivmaßnahmen zu mobilisieren.

Dieser Vorschlag hat seitdem Nachfragen ausgelöst, die mich veranlassen, ihn in der gebotenen differenzierten Weise näher zu erläutern. Die überwiegende Meinung ist, dass er kaum politisch realisierbar sei – eingedenk der Erfahrung, dass etwa vor fünf Jahren der seinerzeitige Bundesfinanzminister Waigel eine marktübliche Höherbewertung der Goldbestände der Bundesbank durchsetzen und diese für die leichtere Erfüllung der EURO-Kriterien anrechnen lassen wollte. Der damalige Bundesbankpräsident Tietmeyer wandte sich scharf dagegen, und auch die SPD-Bundestagsfraktion kritisierte dies.

Mit der definitiven Einführung des EURO am 1. Januar und der vollumfänglichen Inkraftsetzung der Europäischen Zentralbank ist jedoch eine völlig veränderte Situation eingetreten. In dieser hat die Bundesbank ihre bisherige Rolle als Währungshüter eingebüßt. Es kommt also vor allem darauf an, wie eine Aktivierung von Währungsreserven für volkswirtschaftliche Aufgaben konzipiert und begründet wird. Die Frage ist aktueller denn je, wie diese Frage konstruktiv und überzeugend politisch anfassbar gemacht werden könnte. Dies möchte ich hiermit versuchen, als Anregung für die weitere Diskussion über die Frage der Finanzierung notwendiger Zukunftsinvestitionen.

Laut Monatsbericht der Deutschen Bundesbak vom Dezember 2001 betrugen die Währungsreserven der Deutschen Bundesbank 108,9 Mrd EUR. Dabei sind die beiden größten Reserveposten

Einer Auflösung zumindest eines Teils in ratenweiser Form - vielleicht bis auf eine Restgröße - steht kein gewichtiges prinzipielles Argument mehr entgegen. Die EZB gibt – Stand Ende November 2001 – Währungsreserven von insgesamt 48,3 Mrd. EUR an, davon 7,6 Mrd. EUR in Gold. Angegeben werden dafür etwa 24,6 Mio. Feinunzen Gold, was einem Verkaufspreis von etwas über 300 EUR pro Feinunze entspricht, also ungefähr dem heutigen Marktpreis. Für den gesamten EURO-Raum werden demgegenüber für 401,9 Mio. Feinunzen monetäre Goldreserven von 129 Mrd. EUR angegeben, so dass die Bundesbank alleine davon etwa 40% besitzt. Die Währungsreserven der EU-Mitgliedsländer insgesamt im EURO-Raum liegen bei etwa 250 Mrd. EUR, so dass davon die Bundesbank auch etwa 40% davon hält.

Diese Zahlen weisen darauf hin, wie groß die eigenen Spielräume zur Aktivierung von Währungsreserven für dringend notwendige Zukunftsinvestitionen wären. Deutschland hat nach dem EZB-Schlüssel einen Kapitalanteil an der EZB von 24,4%.

Daraus ergibt sich, dass wir dem Gedanken an eine behutsam eingeleitete wirtschaftliche Aktivierung der Reserven durchaus und gut begründet nähertreten könnten, und zwar unter folgenden Voraussetzungen:

1. Da die Europäische Zentralbank laut Art. 3 ihrer Statuten dabei nicht übergangen werden kann, müssten ein Konsens mit ihr hergestellt werden, demzufolge die Bundesbank ihre eigenen Reserven nicht überproportional zu den den durchschnittlichen Reserven der anderen EURO-Raumpartnerländern auflöst -und dies in einer Weise erfolgen würde, die mit der aktuelle Geldwertpolitik der EZ ist und nicht inflationsfördernd ist.

2. Eine Priorität könnte dabei bei der ratenweisen Auflösung von Goldreserven liegen, weil nur dadurch ein Goldpreisverfall vermieden werden und dies keine nachteilige Auswirkung auf die Wechselkursentwicklung des EURO haben kann, solange damit keine Devisenintervention verbunden ist.

3. Damit eine Auflösung von Reserven nicht inflationär wirkt, weil eine Erhöhung des Geldmengenaggregats eintreten könnte, müssen die mit der Aktivierung eingeleiteten wirtschaftlichen Maßnahmen vorwiegend auf solche Bereiche konzentriert werden, in denen die Produktionskapazitäten unterausgelastet sind – so dass die zusätzliche Nachfrage in unterbeschäftigten Sektoren wirksam wird.

4. Die Bundesbank konnte sich praktisch und psychologisch über Jahrzehnte hinweg als Garant wirtschaftlicher Stabilität und damit Nachhaltigkeit im kollektiven Gedächtnis verankern konnte. Deshalb dürfte es bei der ratenweisen Auflösung eines größeren Teils der Reserven nicht um eine politische Aktion gehen, die nur auf kurzfristige Effekte zur wirtschaftlichen Krisenlinderung zielt. Vielmehr müsste es für Investitionen mit nachhaltiger Wirkung verwendet werden, für die es eine unübersehbare und unaufschiebbare Zukunftsbedeutung gibt.

Diese liegen im Bereich der öffentlichen Infrastruktur (und damit im unterbeschäftigten Bausektor), der Bildungs-Infrastruktur und der – keinen wird es überraschen, dass ich das mit hervorhebe – Erneuerbaren Energien. Dabei kommt es nicht unbedingt darauf an, ob die damit einhergehenden Beschäftigungseffekte noch unmittelbar vor der Wahl spürbar werden können.

Aber für die Bundestagswahl selbst ist noch wichtiger, welche gestaltbare Zukunftsoption wir anbieten, denn Wahlen sind stets ein Vertrauensvorschuss auf die künftige Politik. Ein „Zukunftsfonds“ aus zumindest teilweise aufgelösten nationalen Währungsreserven, die ihre traditionelle Rolle gar nicht mehr spielen können, liegt deshalb nahe. Er könnte das Problem überwinden helfen, dass für Zukunftsinvestitionen kaum Spielraum ist, weil die Finanzierung von „Altlasten“ so viel laufende Mittel absorbiert.