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Memorandum, 14. Mai 2001 

Durch die hier vorgeschlagenen Maßnahmen könnten
- die öffentliche Akzeptanz der Energiebesteuerung gesteigert, den Kampagnen gegen die Öko-Steuer die Spitze abgebrochen und die Opposition in die Defensive getrieben werden.

- die letzte vorgesehene Stufe der Treibstoffsteuererhöhung ab 1.1.2003 entfallen und Risiken für die Bundestagswahl vermieden werden, bei gleichzeitiger Verbesserung der ökologischen Lenkungswirkung und gerechterer Lastenverteilung.

- für Ostdeutschland eine dauerhafte und breit wirkende Wirtschaftsstandortperspektive eröffnet und eine aufkommensneutrale Investitionsiniative für neue Arbeitsplätze in Deutschland gestaltet werden, in der schon im Jahr 2002 das Potenzial bis zu einer halben Million neuer Arbeitsplätze steckt.

I) Ausgangslage:

Die Energiebesteuerung - und dabei insbesondere deren als "Öko-Steuer" heraus gehobener Teil - ist aufgrund unberechenbar gewordener Energiepreissteigerungen in der dauernden Gefahr, die öffentliche Akzeptanz zu verlieren. Dies ist kein auf Deutschland beschränktes Problem und gilt insbesondere für die Autotreibstoffe, die der politisch sensibelste - weil beim laufenden Treibstoffkauf an der Tankstelle immer erneut unmittelbar spürbare - Teil der Energiebesteuerung sind:

Der Steueranteil ist hierbei das relativ höchste Preisgestehungselement, weshalb alle Verweise auf andere preistreibende Faktoren (Rohölpreise, Verhalten der Mineralölkonzerne, Dollarkurs) einen beschränkten Überzeugungswert haben. Steuersenkungen erscheinen als das einzige unmittelbar politisch greifbare und zugleich relativ größte Mittel zur Preisreduzierung, weshalb bei jeder Preissteigerung mit erneut aufflackernden Kampagnen gegen die Energiesteuer zu rechnen ist. Die Steilvorlage dafür hat Präsident Bush am 11.5. mit seiner Initiative zur Senkung der - ohnehin in den USA relativ niedrigsten - Treibstoffsteuer gegeben. Dieses negative Beispiel könnte international Schule machen.

Eine Kampagne gegen die Treibstoffsteuer kann empfindliche Auswirkungen auf Wahlen haben, wenn diese zufällig in Zeiten stattfinden, in denen die Energiepreise gerade ansteigen.

Solchen Forderungen nachzugeben, ist aus mehreren Gründen nicht zu verantworten - unabhängig davon, ob es sich um die Öko-Steuer oder die Energiesteuer handelt:

- angesichts zunehmender ökologischer Großkatastrophen und der sich anbahnenden Erschöpfung der Ölquellen wäre das ein ökologischer und zugleich ein wirtschaftsstrategischer Anachronismus;
- wegen des enormen Beitrags der Energiesteuern zu den Staatseinnahmen gerät jede Regierung in einen finanzpolitischen Engpass, die sich auf das Bush-Spiel einlassen würde, auf Energiepreissteigerungen mit Steuersenkung zu reagieren. Dies kann unversehens zu einer endlosen Abwärtsspirale der Energiesteuern führen, weil die Phase unaufhörlicher Preissteigerungen (dabei nur von jeweils kurzfristigen Schwankungen unterbrochen) gerade erst begonnen hat.
- überdies wäre es ein schwerwiegender psychologischer Einbruch vor der nächsten Bundestagswahl, wenn sich die rot/grüne Koalition in der Frage der Öko-Steuer in die Defensive und in einen Clinch zwischen den Koalitionspartnern treiben ließe.

In der heißen Debatte über die Energiesteuern im Herbst 2000 wurde deutlich, dass es besonders dann Vermittlungsschwierigkeiten für die bestehende Öko-Steuer gibt,

- wenn überwiegend nur über die finanziellen Belastungen durch die Öko-Steuer, kaum aber über die existenziellen Belastungen durch Energie-Emissionen gesprochen wird. Öko-Steuern sind aber ohne starke ökologische Begründung nicht zu halten!
- Wenn die ökologische Begründung nicht glaubhaft und nachvollziehbar ist. Der Verdacht darf keinen Raum gewinnen, es ginge "nur" um mehr Steuereinnahmen und nicht um ökologische Umsteuerung.
Die Absicht der rot/grünen Koalition, die Einnahmen aus der Öko-Steuer für die Senkung der Lohnnebenkosten einzusetzen, sollte die Zustimmung zur Öko-Steuer erhöhen. Die Erfahrung ist jedoch, dass dies die Akzeptanz eher erschwert. Indem die Öko-Steuer eine von den normalen Energiesteuern getrennte zusätzliche Energiesteuer wurde, wirkt sie psychologisch wie eine Abgabe mit zweckentfremdeter Mittelverwendung.
- wenn die finanziellen Belastungen aus der Öko-Steuer als ungerecht verteilt erscheinen oder tatsächlich sind.

Daraus ergibt sich:

1. Ein Abrücken von der Öko-Steuerzielsetzung ist sowohl aus prinzipiellen wie aus taktischen Gründen nicht zu empfehlen.
2. Ebenso wenig ist ein bloßes unverändertes Festhalten an der jetzigen Struktur bis zum Jahr 2002 oder eine schlichte Fortschreibung ab dem Jahr 2003 zu empfehlen.
3. Zu empfehlen ist eine Strukturveränderung der Energiebesteuerung, die die ökologischen Lenkungsziele transparenter, widerspruchsfreier, gerechter und treffsicherer und damit überzeugender macht. Dies muss möglichst bereits im Jahr 2002 greifen, um Risiken für die Bundestagswahl zu minimieren.
4. Die Akzeptanz kann entscheidend verbessert werden, indem die Strukturveränderung der Energiebesteuerung unmittelbar verknüpft wird mit den zwei brennendsten innenpolitischen Problemen, für deren Lösung zusätzliche Initiativen der Koalition immer dringlich sind: die wirtschaftliche Perspektive in Ostdeutschland und der Abbau der Arbeitslosigkeit dort und anderswo - und zwar ohne diese von höheren Staatsausgaben abhängig zu machen, die die Ziele der Haushaltsstabilität gefährden würden.

Dafür bieten sich zwei Handlungsoptionen an:

- eine, die sich allein auf die Neukonzipierung der Energiebesteuerung in überschaubaren Schritten beschränkt, ohne dabei die bisherige Verwendung der Öko-Steuereinnahmen anzutasten;
- eine, die darüber hinaus die Öko-Steuereinnahmen für ein ökologisches Investitionsprogramm verwendet; dies muss jedoch so konzipiert sein, dass sich daraus gleichzeitig eine Kompensation für die Rentenbeiträge aus der Öko-Steuer ergibt.

II) Die Neukonzeption der Öko-Steuer

1. Die gesamte Energiebesteuerung einschließlich der Öko-Steuer (mit Ausnahme der Mehrwertsteuer) erhält eine neue, ihren dafür überzeugendsten Grund erfassende Bezeichnung: "Emissionssteuer" oder "Klima- und Umweltentlastungssteuer".
Der Effekt wäre, dass damit die Energiebesteuerung psychologisch gegenüber Steuersenkungskampagnen immunisiert werden könnte: Parteien und Interessengruppen, die die Senkung der Energiesteuern fordern, müssen sich dann konsequenterweise auch mit höheren Emissionen bzw. Klima- und Umweltschäden unmittelbar identifizieren. Sie sind dann die Umwelt-Hasardeure, die Schmutzfinken.
Der Begriff "Öko-Steuer" hat sich als psychologisch ungeschickt herausgestellt, weil damit ökologische Vorsorgemaßnahmen mit finanziellen Belastungen assoziiert werden, nicht jedoch mit dem, was sie sind: Abbau der Lasten der Umweltverschmutzung und Arbeitsplatzchance! Denkbar wäre, allein die Öko-Steuer so wie vorgeschlagen umzubenennen. Dies allein könnte jedoch wie ein semantischer Trick erscheinen und schützt die sonstigen Energiesteuern nicht vor Steuersenkungskampagnen.

2. Die Erneuerbaren Energien werden von der Energiebesteuerung freigestellt.
Dies entspricht der Koalitionsvereinbarung vom 20.10.1998, in der es heißt: "Wir werden den Einsatz regenerativer Energieträger fördern und diese durch die ökologische Steuerreform nicht belasten. Damit verbessern wir die preisliche Wettbewerbsfähigkeit de Erzeugung und des Handels erneuerbarer Energien."

Im einzelnen bedeutet dies:

- die Strombesteuerung Erneuerbarer Energien wird aufgehoben für alle Erneuerbaren Energien, die unter die Bestimmung des EEG fallen. Wasserkraftstrom aus Anlagen über 5 MW würde weiter besteuert, womit die Finanzierung des Marktanreizprogramms für Erneuerbare Energien in Höhe von 300 Mio. DM --das als Kompensation für die Besteuerung Erneuerbarer Energien eingeführt wurde - weiterhin gesichert wäre.

- Die Besteuerung von Biotreibstoffen (die bisher nach dem Mineralölsteuergesetz besteuert werden, sofern sie einen Kohlenstoffanteil von über 3 Prozent haben) wird aufgehoben.
Die damit einhergehende Steuermindereinnahme fällt wegen des noch geringen Marktanteils solcher Treibstoffe aktuell kaum ins Gewicht.

Der Effekt dieser Maßnahme wäre:
- die Energie/Öko-Steuer wird populärer, wenn das Belastungssignal durch ein Entlastungssignal ergänzt wird.
- der Grund für die Besteuerung konventioneller Energieträger wird öffentlich einsichtiger, weil nur die klima- bzw. umweltbelastende Energie besteuert wird.
- durch das Wegfallen der Besteuerung von Strom aus Erneuerbaren Energien steigen zwar nicht die gesetzlich festgelegten Einspeisetarife des EEG, aber die Mehrkosten durch das EEG für den Stromverbraucher bzw für die Versorgungsunternehmen sinken.
- durch die Steuerfreiheit von Bio-Treibstoffen wird den Autofahrern eine Umstiegsmöglichkeit von fossilen zu erneuerbaren Treibstoffen angeboten: Steuerbefreiter Bio-Stoff wird dadurch billiger als der besteuerte fossile Treibstoff.

Steuerbefreiung von Biotreibstoffen als langfristig angelegte Wirtschaftsstrategie für Ostdeutschland.
Die wirtschaftlich stimulierende Wirkung der Steuerbefreiung von Biotreibstoffen ist enorm. Die beiden erfolgversprechendsten Ansätze hierfür sind Bio-Methanol und Bio-Ethanol. Nach heutigem Stand der Anlagentechnik können solche Treibstoffe schon zu einem Preis von unter 1,80 DM angeboten werden, mit sinkender Tendenz durch die industrielle Profilierung der Anlagentechnik. Sie sind in herkömmlichen Verbrennungsmotoren einsetzbar.
Die Mobilisierung der Bio-Energie durch deren Steuerbefreiung ist vor allem eine Chance für Ostdeutschland zu einer raschen technischen Mobilisierung dieser Energieträger, weil es dort die größten nutzbaren Flächen für den Anbau des bioenergetischen Potenzials gibt. Für die Sicherung des Wirtschaftsstandorts Ostdeutschland kann der wirtschaftliche Effekt gleichbedeutend werden mit dem, den der amerikanische Präsident Roosevelt in den 30er Jahren mit dem Tennessee-Valley-Projekt erzielen konnte. Einhergehend damit ist dies ein Beitrag zur Reform und langfristigen Sicherung der Landwirtschaft. Die strategische Dimension "Weg vom Öl" erhielte ihre wirtschaftliche und mengenmäßige Substanz.
Mit der Steuerbefreiung der Biotreibstoffe würde ein Außerkraftsetzen der letzten Stufe der bisherigen Treibstoffbesteuerung durch die Öko-Steuer ab 1.1.2003 ökologisch legitimierbar. Der ökologische Lenkungseffekt ist dadurch sichergestellt, dass Bio-Treibstoffe nach ihrer Steuerbefreiung auf dem Markt spürbar billiger angeboten werden können als fossile Treibstoffe, woraus sich ein rasch expandierender Umstieg von fossilen zu Bio-Treibstoffen ergibt. Die Verantwortung für hohe Treibstoffsteuerlasten würde auf die Einzelnen übertragen, die den politisch offerierten und Kostenersparungen ermöglichenden Umstieg auf Bio-Energien nicht vollziehen.
Obwohl die Steuerbefreiung für Bio-Treibstoffe aktuell wegen deren gegenwärtig noch minimalen Verbrauchsanteilen kaum zu nennenswerten Steuerausfällen führen würde, wird sich dies mit wachsenden Marktanteilen ändern. Dem stehen dann jedoch wachsende Steuereinnahmen aus den expandierenden wirtschaftlichen Aktivitäten der Bio-Treibstoffbereitstellung gegenüber. Außerdem muss die Steuerbefreiung für Bio-Treibstoffe nicht für alle Zeiten gelten, sondern nur für ihre Einführungsphase. Anschließend ist eine stufenweise ansteigende Besteuerung auch der Bio-Treibstoffe denkbar.

3. Die Bundesregierung intensiviert ihre Bemühungen für eine EU-weite Besteuerung der Flugtreibstoffe.
Bis zu deren Inkrafttreten führt sie höhere Start- und Landegebühren auf den deutschen Flughäfen ein. Der Effekt dieser Maßnahme wäre, dass sichtbare Schritte eingeleitet werden, die die Unverhältnismäßigkeit der Besteuerung von Treibstoffen des Eisenbahn- und Straßenverkehrs im Verhältnis zum Luftverkehr beseitigen hilft. Es ist absurd, dass ein Flugticket für die Strecke München-Berlin deutlich billiger ist als die Fahrt mit Auto oder Zug.

4. Die Ausnahmetatbestände der jetzigen Öko-Steuer werden in folgender Weise modifiziert:

- die Stromsteuer für den Bahnverkehr, einschließlich des öffentlichen Nahverkehrs, entfällt.
- die Mineralölsteuer für den Bereich des öffentlichen Nahverkehrs und für Taxi-Betriebe wird am dem 1.1.2002 nicht weiter erhöht. Zur Verwaltungsvereinfachung erhalten diese ab dem Stichtag für das laufende Steuerjahr eine entsprechende Steuerrückerstattung.
- die Ausnahmen für die Industrie werden ab dem 1.1.2003 davon abhängig gemacht, dass diese ein Energie-Audit vorlegen, in dem sie nachweisen, dass sie alle ihre kostenneutralen Möglichkeiten der Energieeffizienzsteigerung nach dem "Least-Cost-Planning"-Prinzip ergriffen bzw. eingeleitet haben. Der Effekt wäre, dass dadurch effizienzsteigernde Investitionen angeregt werden und Arbeitsplätze im Handwerk und bei Ingenieurbüros gefördert werden.

Ergänzende Option: 500.000 Arbeitsplätze durch ein ökologisches 100-Milliarden-Investitionsprogramm mit den Einnahmen aus der Öko-Steuer:

5. Die Einnahmen aus der bisherigen Öko-Steuer werden ab dem Haushaltsjahr 2002 für ein ökologisches Investitionsprogramm eingesetzt.
Dieses Investitionsprogramm wäre mit etwa 30 Mrd. DM öffentlicher Mittel ausgestattet und könnte folgende Bereiche umfassen:

a) Zusätzliche Mittel für den Schienenausbau der Bahn
b) Investitionsbeihilfen für neue Betriebsfahrzeuge der Bahn AG und öffentliche Nahverkehrsbetriebe
c) deutliche Aufstockung des Albausanierungsprogramms
d) deutliche Aufstockung des Marktanreizprogramms Erneuerbare Energien.

Alle diese Investitionen hätten den unmittelbaren Effekt zur Auftragssteigerung für die heimische Industrie. Der damit verbundene Arbeitsplatzeffekt könnte entscheidend dazu beitragen, die Arbeitsmarktziele der Bundesregierung noch vor der Bundestagswahl - allen gegenteiligen Erwartungen zum Trotz - zu realisieren.
Bei grober Berechnung der Arbeitsplatzeffekte muss zwischen den Investitionen zu a) und denen zu b). - d) unterschieden werden: Die Investitionen zu a) wären Vollkostenfinanzierungen, stünden also im Verhältnis von 1:1 zwischen öffentlicher Finanzierung und induzierten Neuinvestitionen. Die Investitionen zu b)-d). hätten - einen Investitionsanreiz von 20 Prozent unterstellt - einen Investitionsfördereffekt von 1:4. Unterstellt, dass etwa ein Drittel der Summe für a) verwendet würden und zwei Drittel für b)-d), so ergäbe dies ein politisch induziertes Investitionsvolumen von 110 Mrd. DM im Jahr 2002.
Bei durchschnittlich einem zusätzlichen Arbeitsplatz pro 150.000 DM Auftragsvolumen könnte dies im optimalen Fall zu mehr als 600.000 neuen Arbeitsplätzen im Jahr 2002 führen. Die damit verbundenen Steuereinnahmen und Sozialversicherungsbeiträge können die Einnahmeausfälle für die Staatskasse und die Rentenversicherungsträger kompensieren. Würde das Investitionsprogrammmm dagegen - bei zurückhaltender Betrachtung - nur zur Hälfte praktisch greifen, wären dies immer noch 300.000 neue Arbeitsplätze.
In diesem Fall könnten die nicht investiv verwendeten Einnahmen aus der Öko-Steuer umweglos weiter für die Lohnnebenkostensenkung eingesetzt werden. Das erreichte Niveau der Lohnnebenkostensenkung wäre grosso modo nicht infragegestellt.