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Pressemitteilung, 03. September 2005

Zur aktuellen Debatte um Benzinpreiserhöhungen erklärt der Bundestagsabgeordnete Dr. Hermann Scheer (SPD), zugleich Mitglied des SPD-Parteivorstandes: "Die aktuelle sprunghafte Preissteigerung von Benzin und Diesel um 10 Cent zeigt vor allem, dass sich die Mineralölkonzerne als Krisengewinnler betätigen."

"Für Preissteigerungen fossiler Kraftstoffe gibt es langfristig angelegte Gründe, die mit der Erschöpfung und dem gleichzeitig steigenden Kraftstoffbedarf in der Welt zusammenhängen. Die akute Preissteigerung von bis zu 10 Cent pro Liter in den vergangenen Tagen erklärt sich allerdings daraus nicht. Sie wird von den Mineralölkonzernen mit den Folgen der Hurrikan-Katastrophe auf die Erdölförderung im Golf von Mexiko begründet. Diese Begründung ist absolut fadenscheinig. Die Kraftstoffe, die heute an der Tankstelle verkauft werden, sind nicht gestern gefördert worden. Ihre Förderung liegt viele Wochen zurück, da nach der Förderung zunächst ein wochenlanger Transport des Rohöls und dessen Verarbeitung in Raffinerien und die Verteilung zu den Tankstellen erfolgt. Ein akuter Preissprung auf den Rohölmärkten kann eine Preissteigerung an der Tankstelle bereits am Tag danach nicht begründen; vielmehr nutzen die Mineralölkonzerne die Katastrophe für eine rollgriffartige Gewinnmaximierung aus. Dass dies unisono erfolgt, ergibt sich eindeutig aus Kartellabsprachen. Insofern ist die akute Preissteigerung eine Frage, in der unverzüglich das Bundeskartellamt einschreiten müsste.

Es ist aber auch eine Frage für Gerichte und ebenso für einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss, der dieses Kartell endlich einmal durchleuchten muss.

Eine andere Frage ist, wie Kraftfahrer auf die generellen und kontinuierlichen Preissteigerungen reagieren können. Wer sich bereits jetzt für ein spritsparendes Auto entschieden hat, hat weniger Probleme. Inhaber von Dieselfahrzeugen können auf Biodiesel umsteigen, der bis zu 30 Cent billiger angeboten werden kann als fossiler Diesel. Allerdings gibt es wenige Tankstellen, die diese Alternative anbieten, da sich die großen Mineralölkonzerne bisher diesem Angebet verweigern. Sowohl die Automobil- als auch die Mineralölindustrie haben versäumt, die Chance der seit 2004 in Kraft befindlichen generellen Steuerbefreiung für alle Biokraftstoffe (z.B. auch für Bioethanol) zu nutzen. Zum einen werden in Deutschland bisher keine Fahrzeuge verkauft, die durch Bioethanol angetrieben werden können, obwohl die deutschen Produzenten solche Fahrzeuge ohne Aufpreis in Brasilien auf den Markt bringen. Es ist lediglich ein kleiner Anfang und eigentlich nur ein schwacher Trost, dass jetzt erst ein Automobilkonzern ein solches Vorführmodell auf der Internationalen Automobil- Ausstellung in Frankfurt präsentiert. Und zum anderen sperren sich die Mineralölkonzerne gegen den gesetzlich eröffneten und erleichterten Umstieg auf Bioethanol-Angebote (z.B. durch Beimischung zum herkömmlichen Kraftstoff), die den Bürgern helfen, der sich weiter verschärfenden Preisfalle des zu Ende gehenden Erdöls zu entkommen.

Immer mehr zeigt sich, wie verhängnisvoll die extreme Abhängigkeit von den fossilen Energieimporten und wie dringend eine Sofort-Strategie zur Ölunabhängigkeit durch Mobilisierung erneuerbarer Energien ist."