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taz120.gifArtikel erschien in Die Tageszeitung, 08. Dezember 2007

Von Martin und Peter Unfried. Warum sparen die Deutschen nicht schon längst mehr Energie ein? Acht Lebenslügen, die modernen Klimaschutz und eine Energiewende verhindern.

Ausrede 4: Die Politik muss erst mal

Ja, es handelt sich auch um Staatsversagen. Die Entwicklung der Kraft-Wärme-Kopplung war bisher ein Desaster, die Verbesserung der Gebäudeeffizienz wird kaum verfolgt. Die derzeitige Kanzlerin meinte noch in den 90ern, die Erneuerbaren könnten nur wenige Prozent des deutschen Energiemixes ausmachen. Das hatte ihr die Energiewirtschaft eingeredet. Die hat immer noch viele Politiker unter Vertrag. Heute sagen selbst CDU und SPD, dass ein großer Anteil erneuerbar sein kann. Aber dass der Umstieg viel schneller gehen kann, ist im Mainstream noch nicht angekommen. Hessens Schatten-Wirtschafts- und Umweltminister Hermann Scheer (SPD) hat ein Energieprogramm errechnet, das die beiden Atomkraftwerke Biblis I und II binnen kürzester Zeit durch einen dezentralen Mix an Erneuerbaren ersetzen kann.

Unrealistisch, heißt es bei der Koch-CDU und teilweise sogar bei den Grünen. Scheer, sagt Koch, "sei nicht von dieser Welt". In der Tat sei er nicht von der Welt, in der Roland Koch lebe, antwortete Scheer. Wer länger mit Scheer redet, versteht, was er sagen will: Es geht in dieser Welt nicht, weil es Kochs Welt ist, und Koch sagt, dass es nicht geht. Ja, geht es denn doch? "Klar geht es", sagt Scheer.

Ob er hinkriegt, was er verspricht? Tja. Die Frage stellt sich in jedem Wahlkampf. Aber zum ersten Mal in der Geschichte Deutschlands hat der Bürger in Hessen ein Angebot für eine radikale Energiewende bekommen: Ein Politiker sagt konkret, wie viele Biogasanlagen, Windräder und Solaranlagen pro Landkreis gebaut werden müssen. Das ist das Gegenteil einer Konferenz wie der von Bali. Wenn der hessische Bürger will, dass die Politik macht, dann kann er das Angebot ausprobieren.

Das ist doch mal was.

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