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Artikel erschienen in Nordbayerische Nachrichten, 26. März 2007 

"Solar-Papst" und Nobelpreisträger Hermann Scheer unterstützt die "Energieoffensive Forchheim" der SPD. Die Sozialdemokraten verspüren Aufwind - wenn es um das Thema Erneuerbare Energie geht. Jetzt hatten sie MdB Herrmann Scheer zu Gast, Träger des alternativen Nobelpreises.

Gosberg. Hartnäckig wie kein anderer hierorts propagiert der stellvertretende Kreisvorsitzende und Hetzleser Gemeinderat Gerhard Pospischil die Energiewende. Parteiintern wird ihm gutgeschrieben, dass die vor sieben Jahren von ihm gegründete «Energieoffensive Forchheim», mit der Pospischils Mannen schon auf einem Bundesparteitag glänzten, zum «Markenzeichen der SPD» geworden sei.

Wo es um Sonnenstrom, Photovoltaik, Windkraft, Wasserkraft, Geothermik, Biogas und derlei schadstofffreie natürliche Energieträger geht, ist der schwäbische SPD–Bundestagsabgeordnete Hermann Scheer nicht weit. Der «Solar-Papst», wie Anhänger ihn respektvoll nennen, gilt als Prophet der Energiewende, die seit 2001 auch eine gesetzliche Grundlage hat. Kein Wunder, dass Pospischils «Offensive» den Präsidenten der Europäischen Vereinigung für Erneuerbare Energie (Eurosolar) als Redner zu einem Umweltsymposium nach Gosberg holte.

Wortgewaltige Schelte

Der Schumann-Saal war rappelvoll, als der 62-jährige Träger des Alternativen Nobelpreises, dem Pinzbergs Vizebürgermeister Peter Andexinger stolz das Goldene Buch der Gemeinde vorlegte, eine Stunde lang wortgewaltig vom Leder zog, wofür er lang anhaltenden Beifall erhielt. Vor allem gegen die transnationalen Energiekonzerne, die ganze Länder politisch eisern im Griff hätten und trotz hochprofitabler Produktion ihrer luftverschmutzenden fossilen Brennstoffe auch noch mit dreistelligen Milliardensummen aus Steuermitteln «pausenlos subventioniert» werden.

Wer die Vorgaben der UN-Klimakonferenzen erfüllen und die Erderwärmung stoppen wolle, müsse, sagte Scheer, «diese globale Pyromanie beenden». Und setzte noch eins drauf: Das heutige Transportsystem für Öl und Gas sei so empfindlich, dass zivilisatorisch hoch entwickelte Industriestaaten in Europa «ganz schnell auf den Stand eines Dritte-Welt-Landes abstürzen» könnten, wenn die Pipelines unterbrochen werden.

Scheer setzt die Stromproduktion aus Erneuerbarer Energie als «Zukunftsstrategie» gegen Technologien, die die Atmosphäre «mit Klimagasen vergiften». Dazu zählt er auch die Kernenergie, die hochgefährlichen Müll produziere und Katastrophen wie 1986 in Tschernobyl hervorrufen könne. Auf Atom laste, seit dem militärischen Overkill und «Sündenfall» von Hiroshima im Kriegsjahr 1945, ohnehin ein «Fluch».

«Ich kenne Dutzende von Atomphysikern», sagte Scheer, «die inzwischen umgestiegen sind und sich heute erfolgreich an der Fortentwicklung der Solartechnik beteiligen.» Wer den Ausstieg aus der Atomenergie stoppen und die Laufzeiten der AKW verlängern sowie 45 neue Kohle- und Gasgroßkraftwerke bauen wolle, so der Vorwurf des Eurosolar-Präsidenten an die deutschen Stromkonzerne, zementiere sozial ungerechte Strukturen und schaffe «eine bedrohliche Zukunft» für spätere Generationen.

Scheer setzt lieber auf Sonne, Wind, Wasser und Biogas. Schon zwölfeinhalb Prozent des Energiebedarfs decke man heute durch solche Träger. Dieser Anteil ließe sich innerhalb von 20 Jahren sogar so steigern, dass die Hälfte des Stromverbrauchs erreicht werde. Allein das Biogas-Potenzial bezifferte Scheer auf 20 Prozent.

Neben dem Klimaschutz sieht der SPD-Abgeordnete aber noch einen anderen Vorteil: Erneuerbare Energie wird dezentral erzeugt. Stadtwerke brauche man weiter, aber keine Großkonzerne mehr. Das schaffe Arbeitsplätze. 150000 seien schon jetzt in der mittelständischen Wirtschaft entstanden. «In den Kommunen spielt die Musik», sagt Scheer. Sachsen-Anhalt mache es vor: In dem Bundesland kommt auf zwölf Quadratkilometer ein Windkraftwerk.

Doch Bayern stelle sich vor die Stromkonzerne und blockiere neue Genehmigungsverfahren für Windkraftanlagen mit «administrativen Schikanen». Für die SPD im Landtag sei die Energiewende «ein ganz wichtiges Thema», sagte Fraktionsvizechefin Susanne Biedefeld. Es sei nicht hinnehmbar, so die Kulmbacher Abgeordnete, dass die CSU daran arbeite, «die Atompolitik wieder salonfähig» zu machen. Hugo Molter

www.nn-forchheim.de