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Artikel erschienen in Westfalenpost, 19. Februar 2007

Von Winfried Dolderer. Berlin. Das Wort "Ökosteuer" hat Hermann Scheer nie so recht gemocht. Nicht, dass er mit der Sache ein Problem hätte. Als Umweltexperte und Kämpfer für die Sonnenenergie hat der SPD-Abgeordnete Scheer seit gut zwei Jahrzehnten einen Namen in seiner Partei und darüber hinaus. Ein US-Magazin rief ihn 2002 zum "Helden für das grüne Jahrhundert" aus.

Nein, gegen die Idee, den Verbrauch von Öl, Kohle und Gas durch Steuern zu verteuern, hat so einer nichts einzuwenden. Umso mehr gegen den Begriff, und zwar gerade deshalb. Schließlich: Wer zahlt schon gerne Steuern? Das Wort weckt Abwehrreflexe. Verbindet man es mit dem Begriff "Öko" der in Kombinationen wie Öko-Bauer, Öko-Produkte, Öko-Siegel den Menschen anheimelnd in den Ohren klingen sollte, so riskiert man, meint Scheer, "eine falsche psychologische Wirkung". Nämlich die semantische Diskreditierung des Umweltschutzes.

Deshalb spricht Scheer lieber von "Verschmutzungssteuer". Ein Wort wie aus Edelstahl. "Man kann", meint Scheer, "nur sehr schwer dagegen polemisieren." Schließlich: "Wer gegen die Verschmutzungssteuer ist, ist bereit, Verschmutzung in Kauf zu nehmen."

Und wer möchte sich das schon nachsagen lassen in einer Zeit, in der die drohende globale Treibhaus-Katastrophe mediale Konjunktur hat wie selten zuvor, und fast jeden Tag eine neue Idee zur Rettung des Weltklimas auf dem Markt ist? Da hatten nicht von ungefähr der Sozialdemokrat Scheer und sein Mitstreiter von der CSU, der gelernte Forstmann Josef Göppel, am Wochenende mit der Verschmutzungssteuer ihren Auftritt in einem namhaften Boulevardblatt. Wer das Treibhausgas Kohlendioxid (CO2) in die Atmosphäre bläst, soll dafür zahlen, und nicht zu knapp, lautet im Kern ihr Vorschlag. Scheer und Göppel wollen das bisherige System der Energiebesteuerung von Grund auf umkrempeln.

Systembrüche Sofern bisher von einem System überhaupt die Rede sein kann: Wir zahlen kräftig Steuern auf Benzin, auf Heizöl in kaum nennenswertem Maße, auf Kohle und Braunkohle gar nicht, dafür wieder auf den Stromverbrauch. Im einen Fall - Mineralöl - wird also der Energieträger besteuert, im anderen - Elektrizität - das Produkt. Scheer und Göppel möchten künftig nur noch Energieträger besteuern, und zwar umso kräftiger, je mehr Treibhausgase beim Verbrauch frei werden. Also Öl, Kohle und Braunkohle in erheblichem, Erdgas in geringerem Maße, Wind-, Sonnen- und Wasserkraft überhaupt nicht. Die Steuer folgt dem Schadstoffausstoß - es ist dasselbe Prinzip, nach dem die Regierung, glaubt man dem Verkehrs- und dem Umweltminister, bis Jahresende auch die Kfz-Steuer umgestalten will.

Wie teuer käme die Verschmutzungssteuer? Scheer hat darüber noch nicht nachdenken lassen, Göppel schon: Im heutigen System der Energiebesteuerung einschließlich des Handels mit Emissionsrechten wird eine Tonne CO2-Ausstoß mit 20 Euro belastet. In Norwegen, wo der Systemwechsel schon Anfang der 90er stattfand, sind es 40 Euro, und dahin müsse man in Deutschland wohl auch kommen: "Wir werden sehen, was umsetzbar ist. Momentan gibt es so gute Chancen wie nie", heißt es aus der Union, die derzeit ohnehin Anstalten macht, programmatisch zu ergrünen. Nicht einmal vor jenem "etwas verpönten Begriff", für den man früher ähnliche Gefühle hegte wie der sprichwörtliche Stier fürs rote Tuch, schreckt man heute noch zurück. Das Wort "Ökosteuer", heißt es, müsse man nur "mit neuem Inhalt füllen".

Die richtigen Grünen betrachten derweil das Hin und Her in der großen Koalition mit indigniertem Staunen. Maliziös erinnern sie daran, dass noch im November Union und SPD im Bundestag einen Antrag, die Kfz-Steuer am Schadstoffausstoß zu orientieren, abgeschmettert haben, und zu rot-grünen Zeiten mit den Sozis sei die Sache auch nie zu machen gewesen: "Insofern sage ich mal bezüglich Herrn Tiefensee, willkommen im Club", ätzt Fraktionschefin Renate Künast.

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