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Artikel erschienen in Kölnische Rundschau, 27. November 2005

Bonn. Es war seine erste Rede als Bundesumweltminister. Große Gesten oder leidenschaftliche Plädoyers waren dennoch nicht zu erwarten, nicht von Sigmar Gabriel. Und das nicht nur, weil er im Schneegestöber die halbe Nacht und den ganzen Samstagvormittag für die 335 Autokilometer von Emden nach Bonn gebraucht hatte. Nüchterne Programmatik war bei dieser Premiere angezeigt: Klar machen, wofür der neue Umweltminister steht. Und das ist mit wenigen Worten zu umreißen. Gegen Atomkraft, für mehr Klimaschutz, für den Ausbau der erneuerbaren Energien, die nicht nur die „Zukunft unserer Kinder sichern“, sondern „uns auch aus der Abhängigkeit von den großen Energieversorgern befreien“ sollen. Erwartungsgemäß dankbarer Beifall im Publikum, das bei der „Weltversammlung für Erneuerbare Energien“ aus mehr als 400 Befürwortern von Sonnen-, Wind- und Wasserkraft besteht. Wissenschaftler, Politiker, Unternehmer aus 39 Ländern, die bis Mittwoch darüber diskutieren, wie und wann die „Erneuerbaren“ die fossilen Energieträger Öl, Kohle und Gas völlig ersetzen können.

Gabriel lässt keinen Zweifel: „Der Klimawandel verlangt ultimativ den forcierten Ausbau der erneuerbaren Energien“. Und weil das von Rot-Grün eingeführte Fördergesesetz EEG „das bisher erfolgreichste Instrument für erfolgreichen Klimaschutz“ sei, werde an den darin garantierten Einspeisevergütungen für Ökostrom-Erzeuger auch nicht gerüttelt. In der Atomenergie sieht er keine Alternative, weil sie ein „gigantisches Risiko“ berge. Gabriel spricht von „neuen Akzenten“, die gesetzt werden sollen. Solare Wärmetechnik beim Hausbau will er stärker fördern, auch Biokraftstoffe sollen stärker genutzt werden, deshalb „planen wir eine Beimischungspflicht“. Im Publikum fällt das naturgemäß auf fruchtbaren Boden. Wo Gabriel innerhalb der großen Koalition noch zu kämpfen haben wird, wurde aber auch klar. Christa Thoben (CDU), in NRW Ministerin für Wirtschaft, Mittelstand und Energie, hatte zuvor die Unverzichtbarkeit der klassischen Energiequellen „auf absehbare Zeit“ betont und die Fortschritte in der Kraftwerkstechnik hervorgehoben, die mit einem milliardenschweren Investitionsprogramm erreicht würden. Für Gabriel zählt das, wie deutlich wird, wenig. Seine Position deckt sich mit der von Hermann Scheer, SPD-Bundestagsabgeordneter, Vorkämpfer für die Erneuerbaren und Initiator des Bonner Kongresses: „Die Kraftwerkserneuerung bis zum Jahr 2012 bringt insgesamt eine Kohlendioxid-Reduktion um zehn Millionen Tonnen. Aber allein der Ausbau der erneuerbaren Energien durch die EEG-Förderung bringt in jedem einzelnen Jahr sieben Millionen Tonnen“, wettert Scheer.

Einig sind sich beide SPD-Politiker auch in der Forderung, dass „endlich“ eine Internationale Agentur für Erneuerbare Energien eingerichtet werden müsse, analog zur Atomenergiebehörde. Und am besten in Bonn. Das hörte im Saal auch jeder gerne.

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Presseecho  Presseecho "Weltversammlung für Erneuerbare Energien (WREA) 2005" (pdf)