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Rede zur Eröffung der Europäischen Windenergie-Konferenz, Kopenhagen, 02. Juli 2001

Alle Redner dieser Eröffnungssitzung betonten den beeindruckenden Fortschritt der Windenergietechnik, ihre jährlichen Wachstumsraten und ihren möglichen Beitrag zur Deckung des weltweiten Energiebedarfs. Bis heute wird dieser mögliche Beitrag in der Politik und der breiten Öffentlichkeit - einschließlich der Massenmedien - unterschätzt.

Diese Unterschätzung basiert auf verschiedenen Falschinformationen über Windkraft, von zwei völlig unterschiedlichen Gruppen absichtlich in die Welt gesetzt: einerseits von den meisten Betreibern etablierter nuklearer und fossiler Kraftwerke, andererseits von einigen traditionellen Naturschutzinitiativen, die hinsichtlich der Windenergie Unsinn verzapfen. In einem 1998 erschienenen Buch über diese verschiedenen Widerstände nannte ich das einen "windigen Protest". Viele Menschen - und das betrifft auch Journalisten und Politiker - mit unzureichenden Informationen über diese neuen Technologie wiederholen diese Falschinformationen. Eine ähnliche Situation bestand, als im 19. Jahrhundert die ersten Eisenbahnen gebaut wurden, bevor man erkannte, daß der Schienentransport das umweltfreundlichste Massenverkehrssystem ist. Wenn wir das wahre Potential der Windkraft generalisieren wollen, müssen wir es als Ersatz für herkömmliche Energie umrechnen.

Die IEA sagt für das Jahr 2020 einen weltweiten Energiebedarf von 20 Billionen kWh voraus, 17 Billionen davon aus nuklearen und fossilen Energieträgern erzeugt. Wollten wir 17 Billionen kWh durch Windkraft erzeugen, so müßten wir 5,7 Mio. Windturbinen à 1,5 MWp installieren. Wenn wir uns zum Ziel setzen, ein Drittel des gesamten Strombedarfs durch Windenergie zu decken, würden wir etwa 2 Mio Windturbinen der genannten Kapazität benötigen. Warum nicht?

Das bedeutet keine Belastung für die Landschaft: wir würden die Landschaft schützen durch einen verringerten Wasserverbrauch für fossile und nukleare Dampfkraftwerke, durch Vermeidung von saurem Regen und von Wasserverschmutzung durch Öl, durch Klimaschutz und eine.Verringerung von Hochspannungsmasten, weil Großkraftwerke abgelöst würden.

Ich rede hier nicht rein theoretisch, sondern als Politiker und Rapporteur des Deutschen Bundestags bei den zwei entscheidenden Gesetzen, die der Einführung von mittlerweile 7 000 MW Windkraft innerhalb von 10 Jahren zugrundeliegen: das Einspeisevergütungsgesetz von 1991 für Erneuerbare Energien und sein Nachfolger: das Erneuerbare-Energien-Gesetz von April 2000. Dieses Gesetz führte dazu, daß 35% aller jährlich weltweit installierten neuen Windkraftanlagen in meinem Land installiert werden. Diese Gesetze traten trotz der oben erwähnten Widerstände und Falschinformationen in Kraft, ein Konflikt, der das Oberste Verfassungsgericht in Deutschland und den Obersten Europäischen Gerichtshof beschäftigte, weil große Stromkonzerne Klage eingereicht hatten.
Durch seinen Beschluß vom 13. März 2001 unterstützte der Europäische Gerichtshof schließlich die Position der rotgrünen Mehrheit im Deutschen Bundestag: er urteilte, daß der in den europäischen Verträgen festgelegten gemeinsamen Verpflichtung zum Umweltschutz Vorrang vor Marktregelungen zu geben sei, die nicht zwischen den unterschiedlichen sozialen Kosten unterschieden.

Wir trugen diesen Konflikt aus, um innerhalb der gesamten Europäischen Union die Barrieren gegen Erneuerbare Energien zu überwinden. So bewiesen wir, daß alle Zweifel bezüglich eines rechtlichen Mindestpreissystems falsch sind. Die Vor- und Nachteile eines sogenannten Quoten- und Angebotssystems einerseits - das bisher als das einzige mit den Grundsätzen des gemeinsamen Marktes zu vereinbarende System galt - und andererseits eines Systems mit einem garantierten Mindestpreis - einschließlich eines Vorrangs beim Netzzugang - wurden schon früher auf Europäischen Windenergiekonferenzen diskutiert. Jetzt liegt es auf der Hand, daß das Mindestpreissystem - einschließlich einer Marktpriorität für Strom aus Erneuerbaren Energiequellen - das einzige erfolgreiche System für eine schnelle und breite Einführung Erneuerbarer Energien ist.

Was wäre aus der Windenergie und der Umwelt geworden, wenn wir nicht auf der Beibehaltung und Erweiterung unseres Mindestpreissystems.bestanden hätten? Wo bliebe unsere Zukunft ohne diesen rechtlichen Rahmen in Deutschland, in Spanien und, bis Ende 1999, in Dänemark?

Die beste Möglichkeit des Vergleichs dieser beiden rechtlichen Rahmen bietet Dänemark. Im Jahr 2000 wechselten die Dänen vom Mindestpreissystem zum Quotensystem. Auf der Grundlage des neuen Rahmens wurde bisher keine Anlage gebaut. Zwanzig Jahre lang war Dänemark das leuchtende Beispiel für die Erzeugung und Einführung von Windenergie. Überzeugend motivierte es alle anderen Länder. Seit jedoch ein anderes System gilt, wurden nur wenige Anlagen auf der Grundlage des neuen Systems gebaut. Als Abgeordneter des Deutschen Bundestags und Bewunderer der dänischen Windenergiebewegung möchte ich mich nicht in die dänischen Entscheidungen einmischen. In meiner Rolle als Präsident von EUROSOLAR jedoch muß ich überall Vergleiche ziehen und mich für die erfolgreichen und vielversprechenderen Beispiele einsetzen. Wir mußten die Pläne einiger Teile der Kommission und von EURELECTRIC -dem Verband der europäischen Stromkonzerne - blockieren, die alle EU-Mitgliedstaaten zur Einführung des Quotensystems verpflichten wollten.

Die Regierung Dänemarks unterstützte diese Pläne. Gemeinsam mit unseren Freunden im Europäischen Parlament und besonders dank des Wirkens von Mechtild Rothe, Vizepräsidentin von EUROSOLAR, blockierten wir eine derartige Einmischung in unseren rechtlichen Rahmen. Jedes Land muß selbst seinen Weg finden. Und mit größerer Erfahrung hinsichtlich Erfolg und Mißerfolg der verschiedenen Systeme steht noch immer die Möglichkeit einer gemeinsamen Lösung offen, auf der Grundlage wirklich erfolgreicher Konzepte. Wir wollen diese Angelegenheit offen miteinander diskutieren, das ist schließlich der Sinn von Konferenzen.

Auf die dänische Windindustrie als Eckstein einer weltweiten Einführung kann nicht verzichtet werden und ich hoffe, daß diese Rolle erweitert und gestärkt wird. Was wäre jedoch in den beiden letzten Jahren aus dieser Industrie geworden, gäbe es nicht den Markt in Staaten mit Mindestpreissystem? Diese Diskussion zeigt: Bisher favorisieren einige Unterstützer der Windenergie das Quotensystem, andere das Mindestpreissystem. Aber: hat schon einmal jemand sämtliche Motivationen aller Befürworter des Quotensystems analysiert? Gewiß ist nicht jeder, der das Quotensystem unterstützt, ein Gegner der Windenergie - allerdings befürworten alle Gegner der Windenergie das Quotensystem. EUROSOLAR war die erste Europäische Vereinigung für Erneuerbare Energien, die seit Ende der 80er Jahre das Mindestpreissystem unterstützte, darum darf ich vom EUROSOLAR-Modell sprechen.

EURELECTRIC, der Verband der europäischen Stromkonzerne, war der erste, der das Quotensystem befürwortete - das EURELECTRIC-Modell. Das letztgenannte Modell wurde sogar von Befürwortern der Windenergie unterstützt, um diese mit den Marktgesetzen vereinbar zu machen. Es schien ihnen die realistischere Perspektive zu sein. Und es sollte ein Interessenanreiz für die großen Stromkonzerne sein, sich dem Engagement für Windenergie anzuschließen.

Jedoch sprechen sowohl die derzeitige Erfahrung mit der Markteinführung als auch der Richter des Europäischen Gerichtshofs gegen diesen Ansatz. Außerdem spricht eine systematische Auswirkung der Folgen dagegen: Meiner Meinung nach kann das Quotensystem nie mit den Marktgesetzen kompatibel werden, weil die Produktivität der Windkraft immer von den unvermeidlich unterschiedlichen Windbedingungen abhängen wird. Gäbe es in naher Zukunft ein funktionierendes Quotensystem, hätten einige Käufer von Zertifikaten Verträge mit hochproduktiven Windkraftunternehmen - andere nicht. Das bedeutet: letztere wären gezwungen, mehr zu bezahlen als erstere - um die gleiche öffentliche Verpflichtung einzulösen. Das wäre eine Vergewaltigung des Gleichheitsgrundsatzes auf dem Markt für Erneuerbaren Energien. Zudem hoffen die Befürworter des Quotensystems, daß große Stromversorger die Initiative für eine Ausweitung von Windturbinen übernehmen, eine Hoffnung, die nur auf dem Papier besteht - zumindest wenn wir die Strategien der großen europäischen Stromkonzerne näher betrachten.

Diese befassen sich nämlich in erster Linie mit Fusionen von Stromkonzernen und mit Konzentration - um zu "paneuropäischen Multiversorgern" zu werden. Manche Kommissare unterstützen dieses Bemühen, da sie diesen Trend als "logisch und wünschenswert" ansehen -einschließlich der Konzentration auf große konventionelle Kraftwerke, desgleichen einschließlich einer Renaissance der nuklearen Stromerzeugung, die nicht allein auf der Tagesordnung von Präsident Bush steht, sondern auch in der neugewählten britischen Regierung diskutiert wird.

Die Windkraftanlagen dre Zukunft könnten 1000 MW Offshore-Anlagen -und daher für große Stromversorger attraktiv - sein: diese Vorstellung könnte sich als Reinfall erweisen! Der größte Markt für Windkraftanlagen ist und bleibt Onshore. Und die meisten großen herkömmlichen Stromerzeuger werden zögern, solange sie

Windkraft führt sich nicht von ein. Zwar besteht bei der Öffentlichkeit eine stärkere Sensibilisierung für Erneuerbare Energien und auch der Wunsch danach, es gibt jedoch noch immer Widerstände. Bisher sprechen viele Menschen wohlwollend über Erneuerbare Energien, aber sie handeln nicht. Das anspruchsvolle Weißbuch von 1997 wurde nicht wirklich umgesetzt. Das neue Forschungs-Rahmenprogramm der Kommission enthält keinen Hinweis mehr auf Windenergie.
Bis heute sind die Antriebskräfte für Windenergie engagierte Menschen: Ingenieure, Erzeuger, Einzelpersonen, kooperative unabhängige Stromerzeuger und nichtkommerzielle Vereine für Erneuerbare Energien, Umweltschutz und Entwicklungshilfe. Sie versuchen, die Öffentlichkeit und die Regierungen trotz der - und gegen die - Falschinformationen zu überzeugen.

Das Endziel muß in einer Ausweitung der Windenergie und der anderen Erneuerbaren Energien bestehen, damit sie die herkömmlichen Energien ersetzen. Daher müssen alle Aktivitäten für dieses Ziel sich in erster Linie auf eine Unterstützung aller engagierten Menschen konzentrieren und noch mehr Menschen ermutigen. Eine alte chinesische Weisheit besagt: "Wenn der Wind des Wandels weht, bauen die einen Mauern und die anderen Windmühlen." Unsere Verantwortung ist es, die Mauern einzureißen und Erneuerbare Energien zu verbreiten - mit der Windenergie als wichtigster Triebkraft.