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(c) photocase.comRede im Schwedischen Parlament, 09. Dezember 1999

"Es gibt keine Alternative" ist das meistgenutzte Schlagwort der Führungseliten in Politik und Wirtschaft. Das ist ihr Appell an die Menschen, die gefällten Entscheidungen und Entwicklungen zu ertragen, sie nicht zu kritisieren und nicht mehr nachzudenken, ob auch andere Entscheidungen und Entwicklungen möglich sind. Je einseitiger und kurzsichtiger die Entscheidungen, je absurder und gefährlicher der Weg der globalen Ökonomie und Zivilisation, desto lauter ertönt die apodiktische Behauptung: "Es gibt keine Alternative". Mit dieser Behauptung möchte die Mehrheit der heutigen Führungskräfte in der sogenannten "Ersten Welt" das Denken darüber tabuisieren und diejenigen als unrealistisch, unseriös oder schlichtweg lächerlich denunzieren, die von Alternativen sprechen und für Alternativen arbeiten.

"Es gibt keine Alternative" - das ist die Herrschaftsformel und die Lüge der neoliberalistischen Moderne, der Tranquilizer für die Öffentlichkeit, damit diese ihre demokratischen Rechte nicht mehr praktiziert, die Anordnung, das Denken einzustellen und keine Kritik mehr zu üben.

Dies geschieht in einer Zeit, die nach Alternativen schreit:

Nach Alternativen


Eines der letzten Worte von Robert Jungk war: "Sie tun nicht, was sie wissen." Heute würde er sagen: "Sie tun das Gegenteil von dem, was sie tun müssten."

Anfang der 90er Jahre verstand man unter Globalisierung die globale Verantwortung für die globale Umwelt und eine gerechte Weltordnung. Heute, Ende der 90er Jahre, wird unter Globalisierung rücksichtsloser globaler Wettbewerb zu Lasten der natürlichen Umwelt, sozialer Ziele, demokratischer Selbstbestimmung und gewachsener Kulturen verstanden.

Die globale Entwicklung befindet sich auf einem für Menschen und Natur verhängnisvollen Weg. Aber die führenden Köpfe machen den absurden Versuch, die dabei aufgeworfenen Probleme durch ein beschleunigtes Tempo auszugleichen. Wirtschaftliches Denken wird reduziert auf aktuelle Produktkostenvergleiche. Das entspricht einer Politik des täglichen "Sich-Durchwurstelns" in dieser Einbahnstraße.

Je größer die Widersprüche werden, desto lauter wird der Ruf nach Konsens. Konsens soll Kritiker einschläfern und zur Anpassung motivieren und ihre Alternativen ersticken. Konsens soll Konformismus erzeugen. Wer sich darauf einlässt, hat individuell bessere Karriereaussichten, während die Lebensbedingungen für immer mehr Menschen immer unkomfortabler werden und in unerträglicher Armut enden.

Alternativen sind heute dringender denn je. Daher ist der Preis, den wir heute erhalten, notwendiger und aktueller denn je.

Viele Menschen haben ihr Engagement mit ihrem eigenen Leben bezahlt. Ich bin etwas beschämt, wenn ich mich mit Menschen vergleiche, die ein derartiges Risiko auf sich nahmen und noch immer auf sich nehmen. Sie sind nicht durch einen Preis zu ehren. Ihnen bleibt nur unsere Bewunderung und unser Dank für ihren einzigartigen Mut. Keiner kann im Voraus sagen, ob er bereit wäre, das gleiche zu riskieren.

Ich bin sehr dankbar für den Preis, den ich erhalten habe. Es ist auch ein Preis für meine Organisation - EUROSOLAR - und für alle, die gegen die atomare/fossile Energiemafia kämpfen.

Ich hatte die Chance, unter vergleichsweise komfortablen Bedingungen ein für die gesamte Zukunft entscheidendes Ziel zu artikulieren und zur Praxis treiben zu helfen:

Die größte Gefahr liegt in der Entkoppelung wirtschaftlicher Prozesse von ihrer geographischen, sozialen, kulturellen, verfassungsgemäßen und ökologischen Basis.

Entkoppelt werden die Räume der Ressourcengewinnung von denen des Verbrauchs, die Produktion von den Märkten, die Quellen der Umweltzerstörung von den Gebieten, wo die Umwelt zerstört wird, die Unternehmen von ihren Anteilseignern, die Entscheidungsprozesse von den Menschen.

Umso dringender müssen wir neu darüber nachdenken, wie Menschen in der Einen Welt in Frieden miteinander leben können, statt gegeneinander ausgespielt zu werden. Dies geht nur durch eine Revitalisierung der regionalen Wirtschaft, damit Gesellschaften in ihrem Lebensraum unabhängige Entfaltungschancen haben. Die Voraussetzung dafür ist die Nutzung regional vorhandener Erneuerbarer Energiequellen, die von der Sonne geliefert werden: Die sichtbare Hand der Sonne anstatt der unsichtbaren Hand des globalen Ressourcenmarktes für Energie, Nahrungsmittel und Rohstoffe. Die Sonne muss in den Dienst der Menschheit gestellt werden und Naturgesetze müssen den Vorrang vor den Gesetzen der Marktwirtschaft erhalten: das ist das allgemeine Ziel, für das ich arbeite.

Erneuerbare Energien sind unerschöpflich. Sie zerstören nicht die Umwelt. Sie sind überall verfügbar. Sie sichern den Frieden. Sie ermöglichen eine gerechtere Verteilung wirtschaftlicher Chancen. Ihre Nutzung ermöglicht Solidarität mit den kommenden Generationen. Sie sichern die Zukunft der Menschheit.

Ihre Nutzung muss zur Ablösung der atomar/fossilen Energiewirtschaft führen. Ob diese Ablösung rechtzeitig, - das heißt, in der ersten Hälfte des 21. Jahrhunderts - gelingt, gibt Antwort auf die Frage, ob die industrielle Revolution eine einzigartige Chance für die Menschheit zur Erleichterung ihrer Lebensverhältnisse war - oder der Beginn ihrer kollektiven Vernichtung. Die Ablösung kann nicht ohne Konflikte erfolgen. Diese Konflikte müssen wir durchstehen. Wir müssen für eine Erneuerung der Wirtschaft durch Erneuerbare Energien kämpfen - um ein neues Jahrhundert bauen zu können.

Diese Perspektive ist eine essentielle Bedingung für die Überwindung des psychologischen Desasters der Alternativlosigkeit. Sie folgt dem allgemeinen Gedanken freier und gleicher Lebenschanchen, für die Weltgesellschaft und für heutige und zukünftige Generationen. Niemand hat diese Anforderung prägnanter formuliert als Immanuel Kant mit seinem kategorischen Imperativ: "Ich soll niemals anders verfahren, als so, dass ich auch wollen könne, meine Maxime solle ein allgemeines Gesetz werden." Dieser Satz stellt das allgemeine Wohl über den Egoismus.

Im Zeitalter der Massenvernichtungswaffen, der Pyromanie atomarer und fossiler Energieverbrennung, der genetischen Bio-Piraterie und der transnationalen Wirtschaftspiraterie muss das allgemeine Wohl umfassender gesehen werden, weil die Egoismen weitreichender und gefährlicher geworden sind. Es gibt nicht nur individuelle, sondern auch vielfältige kollektive Egoismen - nicht nur den nationalen und rassistischen Egoismus, auch den Ressourcenegoismus der Industrieländer, den Sicherheitsegoismus der Atomwaffenstaaten, den Egoismus heutiger Generationen zu Lasten der folgenden.

Warum sollten die Menschen handeln, wenn sie zwar die umfassenden Gefahren der globalen atomar/fossilen Pyromanie kennen, ihnen aber gleichzeitig immer wieder gesagt wird, es gäbe dazu keine Alternative? Wer beides glaubt, gibt die Zukunft auf und raubt den Menschen die Motivation, die atomar/fossile Gefahr abzuwenden.

Jede Alternative beginnt damit, dass ihre Möglichkeiten den Menschen gezeigt werden. Nur dann werden Menschen initiativ. Das ist der wichtigste Inhalt dieses Alternativen Nobelpreises: Er ist ein Stimulans für meine laufende Arbeit und allgemein - und viel wichtiger - für unzählige Menschen. Solarenergie ist die Energie der Menschen und der Natur. Die Nutzung dieser Energie erfordert keine großen Aktivitäten einiger weniger großer Gesellschaften oder Staaten. Sie erfordert Milliarden von Initiativen durch letztendlich Milliarden von Menschen. Die Menschen haben die Möglichkeit, nicht mehr Teil des Problems zu sein, sondern sich an der globalen Lösung zu beteiligen. Damit Menschheit und Natur auf einen Nenner kommen, müssen die Menschen dieselbe Energie wie die Natur nutzen: die Energie der Sonne.

Ich danke Ihnen.