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tam-logo.gifEin halbes Jahr nach der Gründung der Internationalen Agentur für Erneuerbare Energien (IRENA) in Bonn hat das Golfemirat Abu Dhabi den Zuschlag für den Hauptsitz bekommen. Der lange Weg zu der Organisation, die als Gegengewicht zur atom- und öllastigen IAEA und der IEA geschaffen wurde, begann im Jahr 1990 mit einem Memorandum von Dr. Hermann Scheer. Ein Gespräch mit dem Gründervater der neuen Agentur, erschienen in TAM – Energie und Umwelt im Internet, 16. Juli 2009.

Sie haben jahrzehntelang für die Gründung der IRENA gekämpft, um u.a. die Abkehr vom Ölzeitalter einzuleiten. Nun zieht die IRENA ins Ölland Abu Dhabi, das sich mit seinem Engagement für die Zeit nach dem Öl vorbereiten will. Sehen Sie das als Ironie des Schicksals?

In internationalen Organisationen ist es nun einmal so, dass Mehrheiten entscheiden, und jedes Land hat nach den Regeln der Vereinten Nationen eine Stimme. Bei der ersten Versammlung der 136 IRENA-Mitgliedsstaaten in Sharm El Sheik zeichnete sich eine deutliche Mehrheit für den Standort Abu Dhabi hat, obwohl Bonn eine hervorragende Bewerbung eingereicht hatte. Ich war natürlich für Bonn als Sitz.

Nun ist es Abu Dhabi geworden, das ist für uns in Deutschland bedauerlich, aber kein Schicksalsschlag. Denn es kommt nicht darauf an, in welchem Land der Sitz ist, sondern welche Entscheidungen in der Organisation getroffen werden. Dafür sind die Mitglieder zuständig und verantwortlich. Ich bin zuversichtlich, dass von Abu Dhabi aus wegweisende Weichenstellungen zum weltweiten Ausbau erneuerbarer Energien erfolgen werden.

Bonn wird Sitz des Innovations- und Technologiezentrums der IRENA. Was könnte man damit erreichen?

Diese IRENA-Institution passt vorzüglich in die Bonner Wissenschafts- und Forschungslandschaft und zu den anderen dort angesiedelten internationalen Organisationen. Es bietet sich die Chance, kreative Ansätze für den Fortschritt erneuerbarer Energien und für ihren beschleunigten Ausbau zu entwickeln.
 
Die Details der Vereinbarung für Bonn sollen in den nächsten Wochen ausgehandelt werden. Worauf kommt es dabei aus Ihrer Sicht an?

Das liegt in der Verantwortung der Generaldirektorin. Ich möchte nicht schon gleich zu Beginn ihrer Einarbeitungszeit mit öffentlichen Ratschlägen kommen. Wichtig ist, dass das Innovations- und Technologiezentrum mit einem großzügigen Etat ausgestattet wird, der eine hochqualifizierte Besetzung und eine erstklassige Arbeit ermöglicht. Das weiß die Generaldirektorin natürlich. Wenn sie mich fragt, werde ich ihr gerne weitere Hinweise geben.
 
Was wissen Sie über die politischen Strategien zur Förderung von Zukunftsenergien von Abu Dhabi?

Aus meinen Gesprächen mit führenden Persönlichkeiten der Vereinigten Arabischen Emirate weiß ich, dass sie sich der Mitverantwortung für die Zukunft bewusst sind. Von Abu Dhabi werden enorme Impulse ausgehen.
 
Angeblich wird die IRENA von Abu Dhabi zunächst mit 150 Mio US-Dollar ausgestattet. Zudem kommen jährlich 50 Mio Dollar in einem Fonds für umweltgerechte Energieprojekte. Wie beurteilen Sie den Trend, dass Erneuerbare immer stärker vom großen Kapital abhängig sind?

Ich meine, dass gar nicht genug Geld aufgebracht werden kann, um den Umstieg weg von atomaren und fossilen hin zu erneuerbaren Energien zu beschleunigen. Jeder Dollar, jeder Euro, jeder Yen, der heute nicht in erneuerbare Energien investiert wird, muss später doppelt und dreifach aufgebracht werden, um Versäumtes nachzuholen und Schäden zu reparieren. Abu Dhabi hat einen jährlichen Mitgliedsbeitrag von 22 Millionen Dollar bis 2015 und danach zwölf Millionen im Jahr angeboten, Deutschland von vier Millionen Euro für die Aufbauphase und danach drei Millionen. Unsere Mitgliedsbeiträge für die Internationale Atomenergieagentur (IAEA) in Wien und für die Internationale Energie-Agentur (IEA) in Paris liegen übrigens weit darüber. Wenn Berlin etwa so viel für IRENA angeboten hätte, wären wir in die Größenordnung von Abu Dhabi gelangt und hätten vielleicht größere Chancen gehabt, den Sitz nach Bonn zu holen.

Beobachter meinen, dass mit der Standortwahl in Arabien auch ein Signal für Entwicklungs- und Schwellenländer gesetzt wird, sich mehr zu engagieren.

Das wäre von Bonn aus ebenso gut möglich gewesen. Eher ist es so, dass viele Schwellenländer einen Sitz einer internationalen Regierungsorganisation haben wollten, der nicht in Europa oder in den USA liegt. Unter den IRENA-Mitgliedstaaten sind überwiegend Schwellen- und Entwicklungsländer. Unübersehbar ist nach wie vor die Skepsis ölexportierender Staaten wie Saudi-Arabien, Canada, Mexico und Venezuela, und anderer, die Kohle exportieren wie Südafrika, und auch Brasiliens, das auf Bioethanolexporte setzt. Um diese zu einer IRENA-Mitgliedschaft zu motivieren, kann der Standort Abu Dhabi hilfreich sein – für eine Strategie mit Blick auf das nachfossile Zeitalter.

In welcher Form wird EUROSOLAR mit der IRENA zusammenarbeiten?

Alle wissen, dass der Anstoß zur IRENA Gründung von EUROSOLAR gekommen ist und dass wir diejenigen waren, die nicht locker gelassen haben, bis IRENA Wirklichkeit wurde. Ich darf mir auch selbst einen persönlichen Anteil daran zurechnen. Wenn Sie mit Zusammenarbeit meinen, dass mein Rat zur Zukunft der Energieversorgung gefragt ist, so kann ich meine Erfahrungen und Kenntnisse aus der Sicht des EUROSOLAR-Präsidenten einbringen. Auch der Weltrat für Erneuerbare Energien (WCRE), dessen Vorsitzender ich bin, wird die Arbeit von IRENA konstruktiv begleiten und kreativ antreiben.

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