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Interview erschienen auf SÜDWEST AKTIV , 30. November 2007

Mehr als Minimalkompromisse sind von Klimakonferenzen nicht zu erwarten, sagt der Waiblinger SPD- Bundestagsabgeordnete Hermann Scheer. Der Träger des Alternativen Nobelpreises fordert den Mut zu Alleingängen, die sich durchaus lohnen könnten.

Was erwarten Sie von der Klimakonferenz auf Bali?


HERMANN SCHEER: Nicht allzu viel - jedenfalls deutlich weniger, als man sich allgemein erhofft. Warum? SCHEER: Zu diesen Konferenzen kommt man zusammen, weil man sich den Problemen nicht entziehen kann. Gleichzeitig stehen die Regierungen aber weiter massiv unter dem Einfluss der herkömmlichen Energiewirtschaft. Diese Veranstaltungen laufen daher meist unter dem Motto "Global reden, national aufschieben".

Mehr als Absichtserklärungen und Minimalkompromisse sind nicht zu erwarten. Sie finden, dass man sich derartige Konferenzen sparen kann?

SCHEER: Das Problem ist, dass die Teilnehmer von einer falschen Grundannahme aus diskutieren. Sie glauben, dass sie ausschließlich gemeinsam erfolgreich sein können. Alleingänge ziehen nach dieser Lesart nur ökonomischen Schaden für das eigene Land nach sich. Man befürchtet, von den anderen, die sich verweigern, übervorteilt zu werden. Dabei wird die große ökonomische Chance erneuerbarer Energien übersehen.

Sie bestreiten, dass nationale Alleingänge auch wirtschaftlichen Schaden zur Folge haben können?

SCHEER: Wirtschaftlicher Schaden entsteht nur dann, wenn man sich einseitig Schadstoffbegrenzungen auferlegt, ohne darüber hinaus zu handeln. Wenn der Alleingang aber als Vorreiterrolle für saubere Technologien, für die intensive Nutzung von Sonne, Wind und Wasser, verstanden wird, kann ein Land in großem Stil davon profitieren.

Was macht Sie da so zuversichtlich?

SCHEER: Wir stehen, wenn wir den Ausbau erneuerbarer Energien ernst nehmen, vor einer neuen technischen Revolution, die enorme Investitionen mit sich bringen wird. Keine Revolution aber war je die Folge eines internationalen Konsensbeschlusses. Man brauchte immer ein paar Mutige, die den anderen voraus sein wollten. Wie bewerten Sie die Folgen des Kyoto-Protokolls? SCHEER: Diese Vereinbarung hat keinen effektiven Klimaschutz gebracht, und das kann nicht verwundern. Das Protokoll war nicht mehr als ein Minimalkompromiss.

Welche Staaten machen beim Klimaschutz die größten Probleme?

SCHEER: Zum einen die Industriestaaten, die ihre Chancen nicht erkennen. Zum anderen die Opec-Länder, die mauern. Die Öl exportierenden Länder fordern schon jetzt einen finanziellen Ausgleich für den Fall, dass immer mehr Länder auf erneuerbare Energien setzen sollten. Die dritte Gruppe sind die Entwicklungsländer, die beim CO2-Ausstoß reflexhaft auf die Industrieländer verweisen. Dabei übersehen sie, dass auch sie alle Chancen haben, wenn sie sich auf erneuerbare Energien konzentrieren. Das müssen wir gemeinsam mit ihnen organisieren.

Welchen Sinn hat es, mit den USA über Klimaschutz zu sprechen?

SCHEER: Mit der Regierung ist es schwer. Doch in den USA gibt es immer mehr Staaten, die umdenken. Deshalb glaube ich, dass sich nach einem Regierungswechsel in Amerika manches verändern könnte.

Wie bewerten Sie Chinas Rolle?

SCHEER: Die Chinesen tun bei den erneuerbaren Energien mehr als andere Länder. Sie sind wohl gerade dabei, einen Markt zu entdecken.

Was ist in überschaubarer Zeit machbar, sagen wir in der Zeitspanne einer Generation?

SCHEER: Ich bin überzeugt davon, dass es möglich ist, in relativ kurzer Zeit den kompletten Wechsel zu erneuerbaren Energien zu vollziehen. Wir könnten hier ebenso schnell vorankommen, wie dies in der Informationstechnologie der Fall war. Da hieß es vor 25 Jahren auch noch, die Zukunft liege im Großrechner - das haben damals zumindest die so genannten Experten behauptet.

Herr Scheer, Sie beschäftigen sich schon lange mit der Herausforderung des Klimawandels. Sind Sie des Themas nicht langsam überdrüssig?

SCHEER: Ich will es so sagen: Es gibt massive Widerstände dagegen, das Richtige zu tun. Die Kunst besteht darin, sich davon nicht frustrieren zu lassen.

Interview: Antje Berg

www.suedwest-aktiv.de