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Interview erschienen in Main-Echo, 02. Juli 2007

Hermann Scheer für die massive Beschleunigung eines Energiewechsels

Hermann Scheer (Jahrgang 1944) wurde vom "Time"-Magazin 2002 zum "Helden für das grüne Jahrhundert" gekürt Der "Stern" listete den gebürtigen Hessen kürzlich als einen der weltweit "guten Acht", die über die Welrprobleme nicht nur reden, sondern längst gehandelt haben. Jetzt wurde Scheer als erster Politiker von der hessischen SPD-Landesvorsilzenden Andrea Ypsilanti in ihr Schattenkabinett berufen.

Sollten die Sozialdemokraten bei der Landtagswahl im Januar 2008 Roland Koch (CDU) als Ministerpräsidenten ablösen, soll der Energie- und Klimaexperte Wirtschafts- und Umweltminister von Hessen werden. Mit ihm sprach unser Mitarbeiter Manfred Giebenhain.

Herr Scheer, sind Sie mit der Aussicht. 2008 in Hessen ein Superministerium für Wirtschaft, Umwelt und Energie zu führen, an ihrem politischen Ziel angelangt?

Ich war immer projektorientiert nie positionsorientiert. Ämter haben für mich nie die entscheidende Rolle gespielt. Schon drei- oder viermal habe ich einen Ministerposten abgelehnt, weil die konkreten Rahmenbedingung nicht gegeben waren.

Was ist in Hessen anders?

Mein Engagement für Hessen hat zwei Gründe. Ein Punkt heißt Andrea Ypsilanti, die persönlich ungewöhnlich glaubwürdig ist. Sie hat mich dafür gewonnen, auf der Basis meiner Überlegungen ein neues Energiekonzept zu entwickeln. Zum Zweiten hat sie mich gefragt, ob ich dafür zur Verfügung stünde, dieses auch umzusetzen. Für ein verwässertes Konzept wäre ich nicht zu gewinnen gewesen.

Den Ausbau regenerativer Energien wollen auch andere Parteien vorantreiben. Was ist an Ihrem Konzept anders?

Die Weltwirtschaft steht vor einem Ressourcenwechsel. Die Energiewirtschaft hat 200 Jahre lang von vergänglichen Ressourcen gelebt, die zu einem sehr großen Teil die Umwelt erheblich belastet hat. Daher müssen wir uns in einem überschaubaren Zeitraum vollständig von fossilen Brennstoffen und von der Atomkraft verabschieden. Ein vollständiger Energiewechsel ist die elementarste Angelegenheit unserer Zeit. Es bleibt uns nicht mehr viel Zeit Kurzum: Das Konzept, das ich vertrete, heißt massive Beschleunigung des Energiewechsels. Es gibt keine faulen Ausreden mehr. Die ökologische Belastungsgrenze des Planeten kommt früher als die Ressourcengrenze. Ein wichtiger Schlüssel zum Wandel liegt in der Veränderung der Raumordnungskriterien.

Was ist darunter zu verstehen?

Die Konzepte zur Ordnung der Infrastruktur, die in den letzten 50 Jahrenin die Gesetzgebung eingeflossen sind, stehen einer Umorientierung auf erneuerbare Energien im Weg. Sie sind zugeschnitten auf die herkömmliche Energiebereitstellung mit ihren langen Wegen. Erneuerbare Ressourcen jedoch sind überwiegend heimisch. Die regionale und landespolitische Ebene erhält somit eine völlig neue Bedeutung und gestalterische Aufgaben. Die Energiewende wird einen Schub für die regionale und vor allem mittelständische Wirtschaft auslösen.

Was macht Sie so sicher, dass angesichts globalisierter Märkte ausgerechnet die Energiewirtschaft regionalisiert werden kann?

Ich bin wirklichkeitsorientiert, also an den tatsächlichen Problemen und Möglichkeiten, nicht an falschen Rücksichten auf etablierte Interessen. Meine Konzepte sind weitergehend und durchdacht. Was wir mit dem Energie-Einspeisegesetz begonnen haben, wird konsequent fortgesetzt. Das Gesetz hat weltweit Nachahmer gefunden. Viele Regierungen habe ich schon beraten, von Kalifornien bis zur chinesischen Regierung, die jetzt ihr erneuerbares Energiegesetz beschlossen hat. Ich bin ein großer Anhänger des Prinzips der kommunalen Selbstverwaltung.

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