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Interview erschienen in Thüringer Allgemeine, 09. Januar 2007

Hermann Scheer (62), SPD-Umweltpolitiker und Träger des Alternativen Nobelpreises, sieht keinen Grund für neue Diskussionen um den Atomausstieg.

Steht Deutschland nach dem Lieferstopp aus Russland vor einer Energiekrise?

Nein, das ist konkret nicht so. Alleine deshalb, weil Russland das wegen seines Verhältnisses zu Weißrussland nicht durchhalten kann. Generell aber beweist der Fall - ob es nun Lieferungen aus Russland, Libyen oder Arabien sind - wie energieabhängig wir von außen sind. Daher ist der Wechsel zu erneuerbaren Energien zwingend.

Aber der dauert . . .

. . . was ein so altes wie falsches Vorurteil ist. Das geht schneller als gedacht. Weil es einerseits keine langfristigen Lieferverträge gäbe. Und man statt weniger großer auf viele kleine heimische Kraftwerke baute.

Nur, es ist nicht alle herkömmliche durch erneuerbare Energien zu ersetzen.

Das ist ebenso wenig richtig. Wenn wir uns anstrengen, könnte innerhalb eines Vierteljahrhunderts unsere Versorgung komplett umgestellt werden.

Warum will dann die Union den vereinbarten Atomausstieg rückgängig machen?

Ach, das ist eine völlig unehrliche Diskussion - weil der momentane Engpass an Gas und Heizöl nichts mit Atomenergie zu tun hat. Das wäre der Fall, wenn unsere Fahrzeuge bereits mit Strom betrieben würden, aber davon sind wir noch sehr weit entfernt.

Was sagen Sie also in Richtung Union?

Dass sie sich den Koalitionsvertrag anschauen soll, da ist der Atomausstieg fest geschrieben. Und das ist verbindlich.

Die Forderung "Zurück zur Atomenergie" kocht aber regelmäßig wieder hoch ... was ich als extrem unbefriedigend empfinde.

Und die Atomfreunde in Ihrer eigenen Partei?

Das sind zum Glück ganz wenige für so eine große Partei wie die SPD. Nein, das ist bei uns keine Diskussion.

Sollte Kurt Beck ein ernstes Wort mit der Kanzlerin reden?

Das ist unnötig, weil die Koalitions-Position klar ist. Unglaubwürdig macht sich die Union.

Gespräch: Florian Gathmann

www.thueringer-allgemeine.de