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Interview erschienen in www.campact.de/iran, 12. Juni 2006

Interview von Hermann Scheer mit der Kampage „Kein Krieg im Iran“
Campact: Herr Scheer, die USA drohen mittlerweile offen mit einem militärischen Eingreifen im Iran. Besteht Ihrer Ansicht nach überhaupt eine militärische Option?
Hermann Scheer: Eine militärische Option muss generell ausgeschlossen werden. Schon die Androhung damit macht die Androher unter Umständen zu Gefangenen ihrer eigenen Worte.

Im Iran stellt sich das gleiche Problem wie zuvor in Pakistan, Indien oder Nordkorea. Zivil genutzte Nukleartechnologie lässt sich häufig auch für militärische Zwecke verwenden. Welche Konsequenzen müssen wir hieraus ziehen?

Die Konsequenz ist, auch die so genannte friedliche Nutzung der Atomenergie beenden zu müssen.

Die Internationale Atomenergiebehörde IAEO überwacht seit Jahren intensiv das iranische Atomprogramm und ist für Ihre Arbeit im letzten Jahr sogar mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet worden. Wie schätzen sie die Arbeit der Organisation ein?

Die IAEO spielt mit ihren beiden offiziellen Mandaten eine höchst ambivalente Rolle: die Hilfe beim Transfer „ziviler Atomtechnologie“ und die Verhinderung der Abzweigung atomwaffenfähiger Materialien für die Waffenproduktion. Sie ist damit quasi Brandstifter und Feuerwehr zugleich. Das ist das Problem der Atomtechnik selbst.

Die USA stehen kurz davor Indien als Atommacht anzuerkennen, obwohl das Land – im Gegensatz zum Iran – sich weigert den Nichtverbreitungsvertrag zu unterzeichnen. Wie sind die Konsequenzen eines solchen Schritts?


Die Konsequenz ist, dass letztlich alle regionalen Mächte, deren Atombewaffnung nicht verhindert werden konnte, als Atommächte anerkannt werden. Der Kern des Problems ist, dass die Atommächte sich weigern, ihrer Verpflichtung aus dem atomaren Nichtverbreitungsvertrag nachzukommen, ihrerseits atomar abzurüsten. Sie verhalten sich damit vertragswidriger als es gegenwärtig dem Iran nachgewiesen werden kann. Ein „Zwei-Klassen-Völkerrecht“ zwischen Atomwaffenstaaten und Nichtatomwaffenstaaten wird es nicht geben können. Die Forderung nach genereller Atomwaffenabrüstung muss im Zentrum der internationalen Diskussion stehen.

Hermann Scheer ist Gründer von EUROSOLAR und Träger des Alternativen Nobelpreises. Er ist Mitglied des Bundestages sowie des SPD-Parteivorstands und gilt als Vater des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes.

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