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(c) ippnw.deArtikel erschienen in taz, die Tageszeitung, 10. April 2006

Iran: Nicht-Atomwaffenstaaten können US-Angriffe verhindern

Die politische Kalkulation in der Bush-Regierung ist ein pathologisches Spiel mit atomarem Höllenfeuer. Statt durch einen Raketenschlag auf iranische Atomanlagen eine inneriranische Massenbewegung zum Sturz des dortigen Regimes entfachen zu können, ist eher eine antiwestliche Massenmobilisierung in der islamischen Welt zu erwarten - nicht zuletzt das Provozieren eines Atomterrorismus, der die „westliche“ Welt heimsucht.

Der übelriechende Fisch iranischer Atomwaffenpläne stinkt vom Kopf der Atommächte, die sich völkerrechtswidrig der Atomabrüstung verweigern, zu der sie sich im atomaren Nichtverbreitungsvertrag verpflichtet haben. Selbstherrlich insistieren sie für sich selbst auf Atomwaffen und damit auf ein Zwei-Klassen-Völkerrecht. Mithin sind sie der eigentliche Verursacher der Atomwaffenrüstung weiterer Staaten, von Indien bis zum Iran.

Umso drängender stellt sich die Frage, mit welchen anderen als den bisher ergriffenen politischen Mitteln der Iran von seinen Plänen abgehalten werden könnte. Der Pferdefuß der bisherigen britisch-französisch-deutschen Initiative ist, dass Großbritannien und Frankreich selbst Atomwaffenstaaten sind und damit ebenfalls den unglaubwürdigen doppelten Maßstab repräsentieren.

Wenn die Bundesregierung etwas bewirken will, muss sie sich entscheiden, auf welcher Seite sie steht: auf der der etablierten Atommächte oder auf der der Nicht-Atomwaffenstaaten. Aus der Position letzterer ergriff einst Außenminister Willy Brandt die Initiative zu einer Konferenz aller Nicht-Atomwaffenstaaten. Diese fand im September 1968 in Genf statt und setzte die Bestimmung zur atomaren Abrüstung der Atomwaffenstaaten durch, ohne die der atomare Nichtverbreitungsvertrag nicht zustande gekommen wäre.

Heute ist zur Rettung dieses Vertrags ein ebensolcher Schritt überfällig: Eine erneute Konferenz aller Nicht-Atomwaffenstaaten, um gemeinsam gegenüber allen Atommächten den politischen Druck zur Atomabrüstung aller zu organisieren. Eine solche Initiative der jetzigen Großen Koalition hätte ein Vorbild in der früheren.

Hermann Scheer ist Bundestagsabgeordneter und war von 1990 - 1993 Vorsitzender des Unterausschusses Abrüstung und Rüstungskontrolle des Bundestages.