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(c) photocase.comArtikel erschienen in Le Monde diplomatique (Hg.): "Atlas der Globalisierung", März 2003 

Das Schicksal von Begriffen ist, dass sie sich nahezu beliebig benutzen lassen. Sie können vieldeutig oder sogar völlig umgedeutet werden. Man kann sie veredeln oder vulgarisieren, vom Lobes- in ein Schimpfwort verwandeln und umgekehrt. Im Bedeutungswandel von Begriffen schlägt sich oft ein Wertewandel nieder. Ist ein Begriff populär oder imposant, wird er besonders schnell und vielfältig besetzt und als Mode- und Lehnwort für opportunistische Zwecke entwendet. Je allgemeiner der ursprüngliche Wortsinn, desto größer die Gefahr, verramscht zu werden. Der Begriff »Reform« war noch vor 30 Jahren ein Synonym für evolutionäre linke Gesellschaftsveränderung. Inzwischen ist er so entleert, dass er seit einiger Zeit für jede Änderung eines Gesetzesparagraphen – egal in welche politische Richtung – in Anspruch genommen wird. Der Begriff der »Nachhaltigkeit« wurde binnen kurzer Zeit zum Gummibegriff. Alle Parteien versuchen, den Begriff der Erneuerung technik- und wirtschaftsfreundlich aufzuladen und reden deshalb gern von "Innovation". Und da es alle gleichzeitig tun, wurde auch dieser Begriff sofort auf den kleinsten politischen Nenner nivelliert. Je eigenschaftsloser ein Begriff ist, desto wahlloser kann er besetzt werden.

Artikel  Artikel "Globalisierung - Zur ideologischen Transformation eines Schlüsselbegriffs" (pdf)