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(c) aboutpixel.comArtikel erschienen in Solarzeitalter 1/2001, März 2001 

...und deren Rolle im künftigen Energiemix 

 

Die letzten zehn Jahre der Diskussion und der praktischen Initiativen Erneuerbare Energien waren konzentriert auf den Sektor der Strom- und Wärmeversorgung. Sie führten zum Stromeinspeisegesetz für Erneuerbare Energien und zum Erneuerbare-Energien-Gesetz, mit der Folge rapide zunehmender Investitionen, und zu den sich mittlerweile ebenfalls schnell ausbreitenden Installationen von Solarkollektoren sowie zu vielerlei Neuansätzen des solaren Bauens.

Die Biomasse war bisher eher ein Nebenfeld, zumindest in Deutschland. Ihr Anwendungsfeld waren bisher der Wärmesektor, wobei mit Wärmekraftwerken etwa auf der Basis von Pellets oder Hackschnitzeln technologische Neuerungen stattfanden. Auch Biogasanlagen fassen allmählich in Deutschland mehr Fuß. Die Nutzung von Pflanzenöl als Treibstoff in Motoren hat einen Nischenmarkt gefunden, seit es mittlerweile in nahezu jedem Dieselmotor möglich ist, dieses in zuvor veresterter Form einzusetzen; dagegen kommt der naheliegendere Einsatz von reinem Pflanzenöl nur sehr langsam voran, weil dafür noch keine Motoren in Großserienproduktion angeboten werden. Ebenfalls leider nur bruchstückhaft entfaltet sich bisher der Einsatz von Pflanzenöl in Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen, trotz des großen Vorbilds im Berliner Reichstagsgebäude, in dessen Keller zwei 400 kW-Blöcke stehen.

Damit kann die energetische Biomasse-Nutzung in Deutschland noch nicht Schritt halten mit der in Österreich, wo diese im Mittelpunkt der praktischen Einführung Erneuerbarer Energien stehen. Die Baukultur des Kachelofens ist dort noch wesentlich stärker verbreitet (etwa 500 000 Haushalte), weshalb es einen breiten Markt für Holz als Brennstoff gibt. Gegenwärtig gibt es in Österreich 500 Fernwärmeanlagen mit Biomasse mit einer Gesamtleistung von etwa 650 MW, wovon die meisten in der Steiermark, in Niederösterreich und in Kärnten stehen. Gäbe es in Österreich ein nationales Stromeinspeisegesetz analog zu Deutschland, so könnte dort durch die Ankopplung der Stromerzeugung an die Heizkraftwerke das Potential der Bio-Elektrizität schnell ausgeweitet werden. Aber immerhin: schon jetzt werden etwa 20 % des gesamten Energiebedarfs in Österreich von der Biomasse gestellt, mit breit gestreuten regionalen Struktureffekten und wirtschaftlichen Vorteilen für die Holzwirtschaft.

Auch in Schweden nimmt die Biomasse einen größeren praktischen Stellenwert ein als in Deutschland. Es gibt eine Reihe großer und technisch reifer Kraft-und-Wärme-Kopplungswerke, so etwa das von Brista- Kraft mit einer Gesamtleistung von 55 MW thermial und 25 MW elektrisch. Auf dem Gebiet des Bio-Alkohols als Treibstoffquelle, gewonnen aus der lignocellulose-haltigen Biomasse des Waldholzes, ist Schweden europaweit federführend – bis hin zu dem bereits praktizierten Einsatz in der Stadtbusflotte von Stockholm. Dies erinnert daran, dass es keineswegs technologisches Neuland ist, Bio-Alkohol in Fahrzeugen einzusetzen, da dies in Brasilien Stand der Technik ist und er in mehr als einer Million PKW eingesetzt ist – wobei die Diskussion darüber getrübt ist von der Tatsache, dass die Bio-Ethanol-Produktion dort auf der Zuckerrohr-Produktion basiert und dies zu kriminellem Landraub durch Großgrundbesitzer zu Lasten ins soziale Nichts gestürzter Kleinbauern führte. Die Biomasse ist eine bisher immer noch weitgehend unterschätzte Allzweck-Energie – nutzbar für die gesamte Bandbreite der Energiebedürfnisse von Wärme bis Elektrizität, Treibstoffen und Prozessenergie. Unterschätzt wird sie aus mehreren Gründen:

1. Sie hat ein psychologisches Handicap, weil sie – im Gegensatz zur Photovoltaik oder zu Windstrom, geschweige denn zum aus diesen Energiequellen gewonnenen Sekundärenergieträger Wasserstoff – als veraltete Form der Energienutzung gilt. Viele haben noch in Erinnerung, ausgehend von der Geschichte der Energiesysteme, dass die energetische Biomassenutzung einstmals zum weiträumigen Abholzen von Wäldern führte - nicht zuletzt durch den Einsatz von Holzkohle in den ersten Dampfmaschinen zu Anbeginn der industriellen Revolution. Erst als diese durch Kohle substituiert wurde, wurden im 19. Jahrhundert durch Aufforstungsmaßnahmen einige größere Naturräume in Mittel-Europa wieder restabilisiert. Zwar gibt es die Erfahrung in Deutschland, dass im Zweiten Weltkrieg durch den Motor mit Holzvergasung ein Substitut für knapper werdende fossile Treibstoffe schnell mobilisiert werden konnte, doch galten diese im Verhältnis zu den Motoren mit Diesel- und Benzintanks als technologisch primitiv. Nach Ende des Krieges blieb diese Entwicklung liegen und geriet überwiegend in Vergessenheit.

Diese Vorurteile übersehen jedoch, dass die heutige technologisch qualifizierte Biomassenutzung völlig neue Optionen eröffnet: von modernen Erntetechniken bis hin zu neuen Motoren. Diese technologischen Optionen sind noch längst nicht alle reif oder optimiert, wegen der lange auch die Biomasse betreffenden extremen Vernachlässigung Erneuerbarer Energien in der Forschung und Entwicklung.

2. Es gibt bezüglich der Biomasse ein weit verbreitetes Unwissen über das tatsächlich mögliche energetisch nutzbare Potential. Deshalb werden immer wieder Behauptungen gestreut, die energetische Biomassenutzung führe bei breiter Anwendung zu einer untragbaren Flächenkonkurrenz mit dem Nahrungsmittelanbau angesichts einer wachsenden Weltbevölkerung. Deshalb sei energetische Biomassenutzung in gorßem Stil ethisch fragwürdig. Außerdem führe sie zu weiterer Monokultur im Anbau mit negativen ökologischen Konsequenzen.

3. Gerade weil die Biomasse die Multifunktionalität hat, alle Energieverbrauchssektoren substituieren können, leidet daran ihre Profilierung als Energie-Alternative. Es mangelt bisher an einer strategischen Zuordnung, welchen Platz im künftigen Mix erneuerbarer Energien sie vorrangig einnehmen könnte. Biomasse ist eine energetische „Allzweckmasse“, die bisher in keinem Sektor der anerkannte Favorit ist. Welche energiestrategische Rolle sie einnehmen könnte, bedarf einer systematischen Erörterung der verschiedenen Varianten Erneuerbarer Energien hinsichtlich ihrer jeweiligen durchaus vorwegnehmbaren bevorzugten Einsatzmöglichkeit.

Die Zuordnung der Biomasse im Energiemix der Zukunft

Bei der Photovoltaik und bei Windkraftanlagen ist von vornherein klar, dass es hier vor allem um die Substituierung von Atom- und Fossilstrom geht, bei der Solarthermie um die Substituierung von fossile Heizenergie, bei solarem Wasserstoff vorwiegend um die Substituierung von fossilem Treibstoff.

Aber bei der Biomasse? Hier spricht alles dafür, dass deren Hauptfunktion im Energiemix der Zukunft der Treibstoff sein wird. Zwar kann Biomasse eine wichtige Funktion als Ausgleichsreserve für Solar- und Windstrom in der Stromversorgung spielen, neben der traditionellen Funktion als Heizenergie. Doch dies werden im Zuge der weiteren Entwicklung erneuerbarer Energien wahrscheinlich die Nebenfunktionen der Biomasse sein:

Für den Strommix aus erneuerbare Energien steht neben der Windkraft und der Photovoltaik auch die Wasserkraft zur Verfügung; Bei letzterer werden neue Techniken aufkommen, die auf die energetische Nutzung von Flussströmungen zielen; das Wiederaufleben alter Wasserrechte (um 1900 gab es 12x Kleinwasserkraftanlagen in Deutschland als gegenwärtig), kann das Potential um einige 1000 MW ausweiten. Die Windkraft hat durchaus das Potential, in einigen Jahrzehnten möglicherweise bis zu 40 Prozent des Strombedarfs decken zu können. Ebenso groß ist der mögliche Betrag der Photovoltaik - insbesondere wenn man daran denkt, dass durch integrierte Stormerzeugung in stromabhängigen Geräten ein erhebliches Substitutionspotential herkömmlichen Stroms außerhalb der klassischen netzverbundenen Stromerzeugung liegt, was bisher nur wenigen als PV-Perspektive bewusst ist.

Bei Wind- und PV-Strom gibt es, vor allem wenn neue dezentrale Stromspeichertechniken auf dem Markt kommen werden, den entscheidenden Vorteil einer kurzen Bereitstellungskette, was diese Stromerzeugung tendenziell produktiver macht als alle anderen Strombereitstellungswege. In meinem Buch „Solare Weltwirtschaft“ habe ich diesen entscheidenden, potentiellen Wirtschaftlichkeitsvorteil von Wind- und PV-Strom näher herausgearbeitet, der sich aus der bisher leider unüblichen Betrachtung der jeweiligen Energieketten – also aus einer System - statt einer bloßen Technikbetrachtung - ergibt.

Daran zeigt sich, dass Biomasse im künftigen Strommix aus Erneuerbaren Energien mit hoher Wahrscheinlichkeit eher eine Nebenrolle spielen wird. Dies bedeutet jedoch keineswegs, dass die vom EEG beabsichtigte Stimulierung der Bio-Elektrizität deshalb vernachlässigt werden sollte. Alle Erneuerbaren Energien brauchen ein stabiles Fundament, aus dem sich dann erst ihre jeweilige künftige Haupt- oder Nebenrolle herauskristallisieren kann.

Auch im Bereich der Wärmebereitstellung wird die Hauptrolle nicht mehr bei der Biomasse liegen. Diese Rolle läuft auf die verschiedensten Möglichkeiten der direkten Nutzung der Sonnenwärme durch solares Bauen zu: von deren baugestalterischen Nutzung (dem Haus insgesamt als Sonnenkollektor) bis zum Einsatz von Sonnenkollektoren in der Gebäudehülle, ergänzt um Wärmepumpen, -tauscher und –rückgewinnungen und mit transparenter Wärmedämmung, und unterstützt von stark optimierten Wärmespeichern und neuen Baumaterialien. Schon heute zeigen praktische Beispiele, dass allein mit Sonnenwärme beheizte Häuser keine Utopie mehr sind.

Für die Biomasse zu Heizzwecken bleibt deshalb perspektivisch wenig Optionsraum. Deshalb wird die Hauptfunktion der Biomasse darin bestehen wird, die fossilen Treibstoffe zu substituieren – neben der zweiten elementar wichtigen Rolle, künftig den Grundstoff für die chemische Industrie als Ersatz für die Petrokohlenwasserstoffe – also für Erdöl, Erdgas und Kohle – zu stellen. In der Diskussion wird nämlich ebenfalls kaum bedacht, dass mit dem nahenden Ende des Pretroleum-Zeitalters auch die chemische Industrie vor der Herausforderung steht, fossile durch solare Rohstoffe zu ersetzen: alles, was man auch Petroleum machen kann, kann – wesentlich umweltfreundlicher – mit pflanzlichen Kohlenwasserstoffen gemacht werden.

Dass die Treibstoff-Funktion der Biomasse in ihrer zentralen Bedeutung bisher kaum erkannt ist, resultiert nicht allein aus diesbezüglichen Unwissen, sondern auch daraus, dass die etablierten fossilen Treibstoffanbieter daran kein besonderes Interesse haben – und sich damit bisher erfolgreich herausreden konnten, dass es am Potential mangele. Dieses mangelnde Interesse zeigt sich auch aktuell an der gerade begonnenen Debatte über alternative Kraftstelle. Die Mineralölkonzerne setzen dabei kurz- und mittelfristig auf Erdgas; längerfristig geben sie solaren Wasserstoff als Perspektive an. Dass sie auf Erdgas setzen, hat einen naheliegenden Grund: auch dann bliebe die dazu notwendige Lieferkette von ihnen abhängig. Indem sie darüber hinaus den reinen Wasserstoff plakatieren, gewinnen sie einige Jahrzehnte Zeit, den Strukturwandel zu vermeiden – um sich anschließend mit der hoch komplexen Bereitstellungskette für Wasserstoff auf der Basis von Großanlagen und mit einer Liefer-Infrastruktur auch für diese Zukunft unverzichtbar zu machen. Den vielen energietechnologischen Laien in Politik und Medien, die aktuell den Wasserstoff als Mode-Alternative entdeckt haben, ist kaum bewusst, dass ungebundener Wasserstoff kaum jemals kostengünstig als Treibstoffersatz dienen kann: Er setzt nämlich, bevor er zum Einsatz etwa in Brennstoffzellen oder in Verbrennungsmotoren kommen kann, drei Umwandlungsschritte voraus; den der Umwandlung einer Erneuerbaren Energie in Strom, den der elektrolytischen Umwandlung von Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff und den der Verflüssigung von Wassserstoff, um diesen weiträumig transportfähig zu machen. Dazu ist ein erheblicher Energieaufwand nötig.

Die naheliegendere Alternative eines weitgehend emissionsfreien und erneuerbaren Treibstoff ist Bio-Methanol oder Bio-Ethanol. Bei Bio-Methanol spielt Wasserstoff eine Rolle, aber in mit pflanzlichen Kohlenstoffen gebundener Form, womit er ebenso leicht transportfähig ist wie Benzin. Eine vorherige Stromerzeugung entfällt. Um den Transportaufwand mit vorhergehender Verflüssigung zu vermeiden, ist der naheliegende Ansatz der Wasserstofferzeugung ein dezentraler, um den Wasserstoff an Ort und Stelle mit pflanzlichen Kohlenstoffen synthetisieren zu können. Wasserstoff im Rahmen des Bio-Methanol-Ansatzes hat den Vorteil einer kurzen Bereitstellungskette. Bei Bio-Ethanol entfällt ebenfalls die vorherige Stromerzeugung, ja sogar der Aufwand für Biomassetrocknung. Die Gewinnung dieses Treibstoffes ist nicht von Zuckerrohplantagen in fernen Ländern abhängig. Er kann in Europa ebenso gut aus dem Anbau von Zuckerhirse, aus nachhaltiger Forstwirtschaft oder aus dem Anlegen von Kurzumtriebswäldern gewonnen werden, wie es in Schweden praktiziert wird. Weitere Möglichkeiten für Treibstoffe aus Biomasse liegen im Einsatz von Biogas aus anaerober Vergärung, in der Biomasse-Vergasung, aufbauend auf der Technik der Holzvergasung, im Einsatz von Pflanzenöl oder in der Direktgewinnung von Wasserstoff aus Pflanzen. Der generelle Vorteil, der sich etwa aus Bio-Methanol oder –Ethanol ergibt, liegt darin, dass dafür keine völlig neuen Antriebstechniken entwickelt werden müssen. Beide Varianten sind in Brennstoffzellen einsetzbar, aber auch in klassischen Verbrennungsmotoren. Dies bedeutet, der Weg zu einem emissionsfreien Auto kann schnell durchschritten werden.

Biomasse-Potential: mehr als genug

Damit stellt sich die Frage nach dem tatsächlichen Potential. Die Potentialdiskussion über energetische Pflanzenutzung leidet an vereinfachten Darstellungen: weit verbreitet sind schlichte Hochrechnungen des Hektarertrages von Rapsöl, der etwa 1,5 t beträgt, wovon ein Drittel für den Rapsanbau abgezogen werden müssen. Bei diesen geringen Hektarerträgen fällt es tatsächlich schwer, an Biomasse als vollständigen Treibstoffersatz zu denken. Dabei wird übersehen, dass es andernorts Pflanzenöl mit wesentlich höheren Hektarerträgen gibt, etwa Palmöl mit 10 t. Vor allem aber wird übersehen, dass der tatsächliche pflanzliche Hektarertrag auch beim Rapsanbau deutlich höher liegt, wenn man nicht nur die Ölfrucht berechnet, sondern die Ganzpflanze. Die Ganzpflanzennutzung ist aber die Breitenperspektive der energetischen Biomasse – hin etwa zur anschließenden Gasifizierung. Daraus ergibt sich, dass für die energetische Biomassenutzung die Pflanzen im Vordergrund stehen sollten, die die höheren Hektarerträge haben.

Der verstorben britische David O. Hall, Professor am King‘s College in London, der weltweit als der profundeste Wissenschaftlicher der Biomasse galt, hat in ausführlichen Studien, unter anderem für die FAD, das Potential erfasst: Danach gibt es gegenwärtig auf dem Globus etwa 10 Mio. qkm landwirtschaftlich genutzte Fläche; 40 Mio. qkm sind mit Waldflächen bedeckt; Wüsten- und Halbwüstengebiete (arid bzw. semi-arid) machen etwa 49 Mio qkm aus. Die gesamte photosynthetische Jahresproduktion beträgt etwa 220 Mrd. Tonnen Trockenmasse, davon etwa 80 % aus Waldbestand – also um die 170 Mrd t. 2 t Trockenmassen entsprechen etwa 1 t Erdöl. Daraus ergibt sich, dass allein der Biomasse-Zuwachs im Waldbestand etwa 25 mal dem Energieäquivalent der Jahreserdölförderung von 3,5 Mrd t entspricht. Mit anderen Worten: aus einer Waldfläche von etwa 2 Mio qkm, in nachhaltiger Forstwirtschaft genutzt, ließe sich schon der Jahreserdölbedarf decken. Dabei ist noch kein Anbau von Energiepflanzen einberechnet und keine Neu-Kultivierungen semi-arider Gebiete oder Aufforstungen.

Das Potential wird noch anschaulicher, wenn die Hektarerträge einzelner Pflanzenarten berücksichtigt werden: bei schnell wachsenden Hölzern unter durchschnittlichen Boden- und Wasserbedingungen sind dies bis zu 15 t Trockenmasse pro Hektar, bei Stroh und Getreide 12-18 t, bei Schilfgras und Zuckerhirse über 30 t, bei Hanf 10-12 t, bei Eukalyptus 15-40 t. Bei einem durchschnittlichen Ertrag von etwa 15 t Trockenmasse pro Hektar ergibt sich, dass zur Ablösung des gesamten konventionellen Energiebedarfs weniger als 12 Mio qkm Anbau- und Waldfläche nötig wären – was eine theoretische Hochrechnung ist, da es die anderen Substitutionspotentiale erneuerbarer Energien gibt, und natürlich die vielen Möglichkeiten zu höherer Energie-Effizienz.

Zu einer Gesamteinschätzung zählt auch das Aufforstungspotential, das bei weit über 10 Mio qkm liegt. Es mag fraglich sein, ob in einem demographisch und industriell hochverdichteten Land wie Deutschland mit hohem Energieverbrauchsstandard der gesamte Treibstoffbedarf aus Biomasse gedeckt werden könnte. Mit energiesparenden Motoren wird das einfacher beschreibbar. Aber selbst wenn 20 oder 30 Prozent importiert werden müssten, so stehen dem ein gegenwärtig 100%-iger fossiler Treibstoffimport gegenüber.

Die Vorstellung, dass tropische Länder mit hohen Hektarerträgen bestimmter Pflanzen die „geborenen“ Importeure für Treibstoff aus Biomasse werden, ist freilich nicht realistisch: regional erzeugte Biomasse hat geringere Hektarerträge, aber den wirtschaftlichen Vorteil kurzer Bereitstellungsketten, also der Vermeidung von Bereitstellungsketten. Diese machen aber den größten Kostenanteil aller Energiesysteme aus, die auf lange Bereitstellungsketten angewiesen sind. Hinzu kommt ein Aspekt, der bei allen Biomasse-Potentialbetrachtungen nicht vergessen werden darf: wird die Ganzpflanze genutzt, braucht man mit der Ernte nicht auf die Vollreife angebauter Pflanzen zu warten und hat die Möglichkeit für zwei bis drei Ernten im Jahr, mit dem Ergebnis eines entsprechend geringen Anbauflächenbedarfs.

Die technologische Herausforderung

Wenn wir an die Bedingungen für Biomassenutzung denken, verflüchtigt sich das Vorurteil eines rückständigen, quasi vorindustriellen Energieträgers. Die intellektuellen Voraussetzungen einer effektiven Biomassenutzung sind anspruchsvoller als die an die Nutzung fossiler Energie. Die Auswahl der Pflanzen gemäß den jeweiligen Boden- und Klimabedingungen, die Ernte- und Trocknungstechniken, die Anlagen zur Gasifizierung oder Alkoholisierung, die Anforderungen an die Synthetisierung – dies alles setzt mehr naturwissenschaftlich-technologische Kenntnisse mit Fachkräften voraus als die Bereitstellung von Kohle, Erdöl oder Gas. Forst- und landwirtschaftliche Arbeit mit Geräte- und Maschineneinsatz ist anspruchsvoller als das Ausbaggern von Braunkohle oder das Bedienen von Presslufthämmern unter Tage. Die Anlagen zur Herstellung von Bio-Methanol oder –Ethanol erfordern eine technische Qualifikation, die der in Raffineriebetrieben nicht nachsteht, jedoch einen weitgehend sauberen Verarbeitungsprozess haben.

Die Umstellung auf die Biomasse bedeutet, dass vor allem in einer Hinsicht umgedacht werden muss: es geht um die dezentrale Treibstofferzeugung statt um die bei fossilen Energien notwendigerweise zentralisierte. Es geht also um das Denken in neuen Strukturen.

Die politische Herausforderung

Die politische Herausforderung um die Chancen der energetischen Biomassenutzung zu ergreifen, besteht im wesentlichen in drei Schritten
- im Erkennen der Möglichkeiten als Vorbedingung jedweder Initiative;
- in der Umorientierung der Landwirtschaftspolitik, hin zu integrierten Nahrungs-, Energie- und Rohstoff-Betrieben;
- in der Befreiung sämtlicher Treibstoffe aus Biomasse von der Besteuerung. Unter dieser Voraussetzung ist es schon heute möglich, nicht nur Pflanzenöl, sondern auch Bio-Methanol oder –Ethanol kostengünstiger anzubieten als Benzin oder Dieselkraftstoffe.