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(c) photocase.comArtikel erschienen in Sonnenzeitung 4/2001, 01. Dezember 2001 

Die EU-Kommission hat ein „Grünbuch“ zur Versorgungssicherheit der Europäischen Union im Bereich der Energie vorgelegt. Darin wird die gegenwärtige Importabhängigkeit der EU beschrieben, die bei 50 Prozent des Energieverbrauchs liegt. Diese Abhängigkeit droht auf 70 Prozent bis zum Jahr 2020 anzuwachsen, was auch die EU-Kommission als riesiges Problem ansieht.

Deshalb kommt sie in dem „Grünbuch“ zu der Feststellung, dass nicht nur die weitere Nutzung der Atomenergie in der EU unverzichtbar sei, sondern sogar der Bau neuer Atomkraftwerke. Die zentrale Begründung dafür ist, dass Erneuerbare Energien nicht ausreichen würden, atomare wie fossile Energien zu ersetzen. Zwar hat die Kommission die europäische Energiefachwelt um Stellungnahmen gebeten, die sie in dem „Grünbuch“ folgenden „Weißbuch“ einzuarbeiten verspricht. Es spricht jedoch wenig dafür, das die dafür verantwortliche Kommissarin de Palacio und ihr Generaldirektor Lamoureux von der Behauptung Abstand nehmen werden, Erneuerbare Energien könnten atomar/fossile Energien nicht ersetzen.

Damit pflegen sie eine zweifache Energielüge. Die eine besteht darin, ausgerechnet aus Gründen der Versorgungssicherheit an der Atomenergie festhalten zu wollen – als sei diese ein heimischer Energieträger. Tatsache ist jedoch, dass die Uranvorkommen außerhalb der EU anfallen. Die großen Uranminen liegen in Kanada, Australien, Südafrika oder Rußland. Weiter auf Atomenergie zu setzen, bedeutet die Verstetigung der Versorgungsabhängigkeit.

Die zweite Energielüge ist, dass sich das Grünbuch für die weitere Liberalisierung der Energiemärkte einsetzt. Deshalb wird auch die Europäische Energiecharta von 1995 nicht in Frage gestellt, die auf eine globale Marktöffnung setzt – und damit Billigimporte erleichtert. Liberalisierung der Energiemärkte und höhere Versorgungssicherheit, die nur mit eigenen Energiequellen möglich ist, stehen in einem unauflöslichen Widerspruch zueinander.

Die dritte – und größte – Energielüge aber ist die Verleugnung des Potenzials Erneuerbarer Energien, das in Wahrheit ausreichen würde, alle atomar/fossilen Energien durch eigene Energiequellen in der EU zu ersetzen. Es ist kein Zufall, dass die Kommission sogar das von ihr selbst 1997 herausgegebene Weißbuch über Erneuerbare Energien ignoriert. Ignoriert werden auch Studien, die von der EU-Kommission selbst in Auftrag gegeben wurden – so etwa die von Harry Lehman und anderen erarbeitete Studie des Wuppertal-Instituts, die beschreibt, dass und wie bis zum Jahr 2050 eine Vollversorgung der EU mit Erneuerbaren Energien möglich ist. Schon im Jahr 1981 hat eine Studie des Internationalen Instituts für Angewandte Systemanalye (IIASA) in Luxemburg bei Wien ebenfalls diese Möglichkeiten beschrieben, ohne dass man sich dabei auf das solare Potenzial der Sahara stützen müsste. Der EU-Kommission muss deshalb in ihr Stammbuch geschrieben werden: auf Energielügen kann und solle man keine Zukunft bauen.

Versorgungssicherheit ist nur mit Erneuerbaren Energien möglich. Dies gilt für die EU wie für alle anderen Kontinente und Länder.